Die Geheimnisse des Wüstenfußballs

Saudi-Arabien wird wohl auch bei dieser WM nicht weit kommen – das liegt auch an der fehlenden Auslandserfahrung der Spieler

OFFENBACH taz ■ „In der Welt des globalisierten Fußballs gibt es keine Geheimnisse mehr“, sagt Marcos Parquetta, 63 Jahre alt, Brasilianer und Trainer der Nationalmannschaft von Saudi-Arabien. Am Mittwochabend saß er in einem sehr weißen Trainingsanzug im Presseraum des Stadions am Bieberer Berg im hessischen Offenbach und gab Auskunft zu den Chancen seiner Auswahl bei der anstehenden Weltmeisterschaft. Fortschritte in der Defensivarbeit habe er entdeckt gegenüber dem 0:2 gegen die Tschechen vor einer Woche. Die Leistung beim 0:1 gegen die Türkei gebe Hoffnung, meinte er. Dann lächelte Parquetta und sagte: „Jeder WM-Teilnehmer hat noch etwas in der Hinterhand, und auch wir verstecken noch ein paar Überraschungen.“

Erwartet wird dennoch ein eindeutiges Vorrundenaus wie bei den folgenden drei Turnieren, wenngleich gegen ein ähnlich klägliches Auftreten wie in Japan und Südkorea die überzeugende Qualifikation spricht, in der Südkorea zweimal besiegt und nicht verloren wurde. Das 0:8-Debakel gegen Deutschland vor vier Jahren sitzt wie ein Schandfleck im Gedächtnis stolzen Fußballnation. Damals musste Trainer Carlos Alberto Parraira sofort seinen Hut nehmen.

Trainerentlassungen kommen im saudischen Fußball fast so häufig vor wie Spielerverpflichtungen. Dabei geht es nicht immer rational zu. Parquettas Vorgänger, Gabriel Calderon, musste trotz erfolgreicher Qualifikation nach ein paar Testspielniederlagen gehen. Diese Erfahrung teilt der Argentinier nun mit dem Holländer Leo Beenhakker (1994) und dem deutschen Otto Pfister (1998), die auch kurz vor einem Endturnier den Laufpass bekamen.

Parquetta wird wohl versuchen seinen Arbeitsplatz mit einem vierzehnbeinigen Abwehrverbund über die WM hinaus zu erhalten: Vor einer Viererabwehrkette verteidigen drei defensive Mittelfeldspieler. Richtig sattelfest sieht dies aber dennoch nicht aus. Gegen die Türken wartete zudem auch Abwehrchef Hamad al-Montashari mit seltsamen Fehlleistungen auf. Es bleibt ein Rätsel, wie der 24-Jährige 2005 als Nachfolger solcher Größen wie Ali Daei oder Hidetoshi Nakata zum Fußballer des Jahres in Asien gekürt werden konnte. Montashari, der die Stutzen bis über die Knie zu ziehen pflegt, liebt den eleganten Pass und meidet die schnöde Grätsche, so wie die meisten im 23-WM-Kader, der sich aus Kräften zusammensetzt, die allesamt im eigenen Land als Profis spielen. „Den Biss, es in Europa schaffen zu wollen, fehlte lange“, sagt Mark Biole von Blue-Sports, dessen Firma die Spiele der Saudis vermarktet.

Die Spitzenspieler verdienen Gehälter wie in den großen Ligen Europas üblich, die Begegnungen der besten Mannschaften verfolgen mittlerweile bis zu 60.000 Zuschauer. „Um die Nationalmannschaft voranzubringen, brauchen die Talente Auslandserfahrung“, glaubt Trainer Parquetta, der einst Brasiliens U 17 und U 20 zum Weltmeister machte. Dem Vernehmen nach wollen einige Spieler die WM als Plattform für einen Wechsel nutzen. Ob allerdings Akteure wie al-Montashari oder Stürmer Jasser al-Kahtani, 24, der im letzten Jahr für die Rekordsumme von 10 Millionen Dollar zu al-Hilal nach Riad gewechselt ist, für europäische Klubs wirklich interessant sind, bleibt abzuwarten.

Erkundigungen über das Leben im Ausland können sich die Wechselwilligen bei Stürmer Sami al-Jaber, 33, einholen. Der bestreitet seine vierte WM voraussichtlich als Joker und hat schon einmal bei den Wolverhampton Wanderers gekickt. Allerdings kehrte er nach nur fünf Monaten wieder zurück. In England war es ihm zu kalt.

TOBIAS SCHÄCHTER