3 Diktiergeräte treffen Schweini

Die WM-Teile der Zeitungen wachsen, doch die Originalsätze deutscher Nationalspieler werden immer knapper. Wie der DFB die Verbreitung der Ware Information kanalisiert

AUS BERLIN MARKUS VÖLKER

Seit kurzem hat die Frankfurter Rundschau einen neuen Mitarbeiter im Sportressort. Er heißt Peter Pool. Der Newcomer hat Interviews mit Oliver Bierhoff und Jens Lehmann geführt. Das ist bemerkenswert, weil es Peter Pool gar nicht gibt.

Er ist eine Erfindung der Sportredaktion. Sein plötzliches Erscheinen im Blatt hat mit der Medienarbeit des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zu tun. Man muss zur Erklärung ein bisschen ausholen: Vor der Fußball-WM haben die Pressewarte des Verbandes dazu aufgerufen, „Pools“ zu bilden. Mehrere Zeitungen sollten Kollektive formen, Presseverbünde. Das steigere die Chancen auf Interviews mit den DFB-Spielern. Also wurden zwischen Hamburg und Garmisch, zwischen Aachen und Frankfurt (O.) eifrig Pools gebildet, weil man bei der Jagd nach „Originaltönen“, kurz: O-Tönen, erfolgreich sein will. Einzelinterviews, hieß es, bekommen nur wenige Blätter, darunter Spiegel, Stern, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung und diverse Springer-Blätter. Der Rest werde im Pool „verarztet“. Hauptargumente des DFB für Exklusivzugang: Auflagenstärke und jahrelange getreue Begleitung der Nationalmannschaft.

Die taz (Auflage: 60.000) ist seit 1986 regelmäßig dabei, hat aber dennoch einen Pool gebildet. Und weil die Neue Zürcher Zeitung mit drin ist, nennen die DFB-Presseleute diesen Pool nun „NZZ-Pool“.

Das Spiel des Presse-Pooling geht so: Die Pool-Spieler treffen sich zu einer Beratung. Sie einigen sich auf ein paar Nationalspieler, mit denen sie reden wollen. Zum Beispiel Bastian Schweinsteiger oder Christoph Metzelder. Dann geht eine Mail in mehrfacher Kopie an die DFB-Presseabteilung. Die sagt „zeitnah“ ab oder zu. Wenn sie zusagt, darf ein (1) Journalist aus dem Pool zum Interview. Gestern Nachmittag, z. B., zu Innenverteidiger Christoph Metzelder. Die anderen dürfen nicht mit, allenfalls ihre Aufnahmegeräte können sie dem assoziierten Teammitglied mitgeben. Das geht nicht immer, weil so mancher Pool-Abgesandte bis zu 13 Geräte mitschleppen müsste. Also einigt man sich darauf, dass der Pool-Vertreter, der den Spieler treffen darf, ein Transkript des Gesprächs herumreicht.

Nicht dass jetzt jemand annimmt, man führe das Gespräch allein, bewahre: Man trifft sich mit bis zu acht anderen Pool-Vertretern, etwa des „Ossi-Pools“ (Märkische Oderzeitung, Märkische Allgemeine etc.), des badischen Regional-Pools oder des Pools der Qualitätszeitungen (Berliner Zeitung, Kölner Stadtanzeiger, FR etc.).

Der DFB sagt, das sei eine prima Sache, weil alle etwas davon hätten. Tatsächlich steigt die Reichweite eines einzigen Interviews exponentiell. Der Pool multipliziert sich mehrfach mit sich selbst – und erledigt nebenbei die Pressearbeit des DFB.

Die FR hat mit der Kreation des virtuellen Mitarbeiters Peter Pool eine elegante Lösung gefunden, zumal sie sich ironisch von diesem merkwürdigen Procedere distanziert. Andere Blätter machen jetzt aus den Mitschnitten keine „Exklusiv“-Interviews, sondern bauen die Zitate nur in Texte ein. Autorisiert werden müssen sie trotzdem.

Das Pooling führt zu absurden Situationen. So kann es vorkommen, dass der taz von Lesern vorgeworfen wird, sie habe Zitate geklaut, weil der Leser anderswo genau die gleichen Wortfetzen entdeckt hat. Wenn er genau liest, kann er sogar republikweit die gleichen Zitate finden. Es ist nur mehr der Kreativität und der Auffassungsgabe eines Autors geschuldet, ob er aus dem Pool-Interview eine originäre Geschichte macht. Die Gefahr der großen Gleichmacherei besteht auch durch ein weiteres Informationsmedium: die DFB-Pressekonferenz. Auch hier werden Informationen verknappt und kanalisiert. Wer auf dem Podium sitzt, entscheidet in letzter Instanz der DFB. Manche Printjournalisten müssen ihr komplettes Material aus dieser künstlichen Veranstaltung ziehen.

Das ist ein Problem, denn die Pressekonferenz, die fast täglich um 12.30 Uhr im Berliner Messezentrum ICC abgehalten wird, ist live zu sehen, von Premiere bis ntv (siehe unten). Der Fernsehzuschauer weiß alles – sofort.

So führen die Printjournalisten einen täglichen Kampf gegen die DFB-Pressekonferenz und die Unmittelbarkeit des Fernsehens. Was bleibt, sind Fachgespräche mit Kollegen, Stippvisiten beim Training und der Mixed Zone danach. Wer den Vorgaben des Fußball-Bundes sklavisch folgt, kann de facto nicht kompetent über diese WM berichten. Ein Vielzahl von Journalisten sehnt sich deswegen nach den „paradiesischen Zuständen“ der Bundesliga zurück, wo exklusive Informationen möglich und authentische Kontakte (noch) die Regel sind. Es sind geradezu romantische Träumereien, in die so mancher Kollege in diesen Tagen bereits verfallen ist. Dabei hat es noch gar nicht richtig angefangen.