Die Linkspartei steckt in der Kuba-Krise

PDS und SPD wollen keine offene Kritik am Regime Fidel Castros üben. Einen kubakritischen Ausschussantrag lehnte die rot-rote Mehrheit ab. Die Opposition wirft der Koalition vor, bei den Menschenrechten mit zweierlei Maß zu messen

Viele Linkspartei-Mitglieder werden sich gefreut haben, dass sie bislang vom Streit über die Haltung einiger Genossen zu Menschenrechtsverletzungen auf Kuba verschont wurden. Wer bezieht schon gern Stellung in einem Konflikt, der die eigene Bundespartei spaltet? Und bei dem es um nichts Geringeres geht als um die Achtung der Menschenrechte? Gestern Vormittag war diese Schonzeit vorbei. In dem Moment, als Grüne und FDP im Europaausschuss des Abgeordnetenhauses einen Antrag vorlegten mit dem Titel „Menschenrechte sind auf ganz Kuba unverzichtbar!“. Denn Ex-PDS und SPD lehnten ihn ab.

Im Antragstext forderten die Abgeordneten ihre Kollegen nicht nur auf, sich der UN-Forderung nach Auflösung des US-Gefangenenlagers Guantánamo anzuschließen, sondern auch, die Entschließung des EU-Parlaments zur Haltung gegenüber der kubanischen Regierung zu „begrüßen“.

Anfang Februar hatten die Europaabgeordneten mehrheitlich für eine kubakritische Resolution gestimmt. Menschenrechtler würden auf der Karibikinsel an der Ausreise gehindert, die Zahl politischer Gefangener sei 2005 gestiegen. Weil auch drei EU-Parlamentarier der PDS für die Resolution stimmten, entbrannte ein innerparteilicher Streit. Parteifundis warfen den eigenen Abgeordneten vor, Fidel Castros Revolution zu verraten.

Wohl nicht ohne Kalkül brachten FDP und Grüne gestern ihren Antrag ein. Gehört zu den lautstärksten Gegnern der kubakritischen Resolution doch die Exvolkskammerabgeordnete Ellen Brombacher, zu ihren vehementesten Verfechtern die Bundestagsabgeordnete Petra Pau. Beide sind Mitglieder des Berliner Landesverbands. Die Lunte für den innerparteilichen Streit war gelegt, nur der Funke fehlte. Der entzündete sich, als SPD und Linkspartei den Oppositionsantrag gestern mit 5 zu 4 Stimmen ablehnten.

Das Grünen-Ausschussmitglied Lisa Paus urteilte: „Damit wird die Unteilbarkeit der Menschenrechte infrage gestellt.“ Die SPD versuche, sich mit „Ausflüchten“ vor einer eindeutigen Haltung zu drücken, um ihren Koalitionspartner zu schonen. Noch schärfer formulierte es ihr Ausschusskollege Axel Hahn von der FDP: „Einmal mehr wird deutlich, dass es die Postkommunisten mit unserem freiheitlichen Wertesystem nicht ernst meinen.“ Von einem „merkwürdigen Politikverständnis“ von PDS und SPD sprach der CDU-Abgeordnete Andreas Apelt.

Hingegen sieht SPD-Ausschussmitglied Frank Zimmermann im abgelehnten Antrag nur „taktisches Geplänkel“ der Opposition. Die SPD sei selbstverständlich für die Einhaltung der Menschenrechte, auch auf Kuba. „Dafür brauchen wir die FDP nicht.“ Innerparteiliche Streitigkeiten müsse die PDS selbst lösen, sagte Zimmermann.

Die Ausschussvorsitzende und Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses, Martina Michels, stand bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme zur Verfügung. Die Opposition will den Antrag bei der nächsten Abgeordnetenhaussitzung am 22. Juni zur Sprache bringen. MATTHIAS LOHRE