Polizei soll bezahlen

In Hamburg klagt eine Rechtsanwältin gegen die Polizei auf 5.000 Euro Schmerzensgeld wegen Freiheitsberaubung. Notfalls möchte sie bis vor den Europäischen Gerichtshof gehen

von Kai von Appen

Barbara Ede ist zwar nicht Caroline von Monaco, der für die kleinste Persönlichkeitsrechtsverletzung gerichtlich schon gern mal 125.000 Mark Schmerzensgeld zugesprochen werden. Doch mit 150 Euro Entschädigung durch die Hamburger Polizei für ihre rechtswidrige Festnahme und ihre unwürdige Behandlung möchte sich die 47-jährige Rechtsanwältin nicht zufrieden geben. Die Polizei hatte die Juristin festgenommen, gefesselt und stundenlang durch Hamburg transportiert. Bis spät in den Abend wurde sie grundlos auf einer Wache am Stadtrand festgehalten. Gestern verhandelte das Landgericht Hamburg über Edes Klage auf 5.000 Euro Entschädigung wegen der erlittenen „psychischen und körperlich schmerzhaften Verletzungen“. Mit dem Prozess möchte sie zugleich erwirken, dass die Polizei ihr immer wieder praktiziertes rechtwidriges Vorgehen einstellt.

Barbara Ede befindet sich am 21. Dezember 2002 in der Hamburger City beim Weihnachtseinkauf. Als sie gegen 16.30 Uhr das Karstadt-Kaufhaus an der Mönckebergstraße verlässt, stößt sie mitten im Rummel auf eine Polizeikette. Mehrere hundert BeamtInnen hatten eine nicht angemeldete Demo gegen die Räumung des alternativen Wohnwagenplatzes „Bambule“ eingekesselt. Ede wird von einem Polizisten in die Absperrung geschubst. Wenig später überzeugt sie zwar einen anderen Beamten, sie aus dem Spalier zu lassen. Als sie sich aber mit dem Kommentar bedankt: „Ich finde das nicht Ordnung, was sie hier machen“, befindet sie sich flugs wieder im Kessel.

Ede muss in einen zum Gefangentransporter umfunktionierten Linienbus einsteigen. Im Bus werden ihr – ohne dass es Anzeichen für Widerstandshandlungen gibt – die Hände auf den Rücken gefesselt. Stundenlang wird sie von einer Polizeistation zur anderen kutschiert. Bei der Fahrt ist sie den Blicken von Passanten ausgesetzt, die die gefesselten Insassen als Verbrecher ansehen müssen. „Ich fühlte mich an den Pranger gestellt“, so Barbara Ede.

Der Strafantrag, den die Juristin gegen die Polizei stellt, wird von der Staatsanwaltschaft zunächst nicht weiterverfolgt. Zwar sei das Polizeivorgehen „rechtswidrig“ gewesen, es sei aber kein Beschuldigter zu ermitteln gewesen, so die Begründung. Vor dem Verwaltungsgericht gesteht die Polizei später – nach anfänglichem Zögern – die Rechtswidrigkeit des Polizeieinsatzes und der Behandlung von Barbara Ede im vollen Umfang ein. Sie gewährt ein Schmerzensgeld von 150 Euro.

„Das bewegt sich durchaus im Rahmen der Rechtssprechung“,so gestern der Vorsitzende Richter Martin Buchholz. Entschädigungen seien, das wisse er gerade aus Verfahren bei ärztlichen Kunstfehlern, immer zu gering., „Niemand nimmt freiwillig etwas in Kauf, um später Schmerzensgeld zu bekommen.“ Die Kammer sei aber gehalten, sich an der in Deutschland üblichen Marge zu halten. Beim Hamburger Kessel 1986 hätten die Betroffenen 200 Mark erhalten, 1992 beim Münchner Kessel 150 Mark. Der Fall Ede sei, so Buchholz, eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ gewesen.

Dem widersprach Edes Anwalt Jürgen Kühling energisch. Bei Genugtuung gehe es „um das grundlegende Bedürfnis nach ausgleichender Gerechtigkeit“, sagte der Ex-Bundesverfassungsrichter. Dabei spiele auch die „Prävention“ eine Rolle. „150 Euro sind einfach lächerlich.“ Es müsse verhindert werden, dass die Polizei „so leichtfertig mit den Grundrechten umgeht“, betonte Kühling. „Es besteht der Anlass zu sagen, wir wollen, dass das aufhört.“ Kühling appellierte ans Gericht, sich die Sache nicht zu einfach zu machen, und auch ein Urteil des Europäische Gerichtshofes für Menschenrechte (EuGH) in Straßburg, an das auch deutsche Justiz gebunden sei, in die Überlegungen mit einzubeziehen. Dort wurden einem Mann aus Polen, der durch eine Polizeipanne sechs Stunden in der Ausnüchterungszelle verbrachte, 2.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen.

Sollte der Urteilsspruch im Juni so ausfallen, wie es Richter Buchholz andeutete, will Barbara Ede das Verfahren durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht führen und notfalls auch vor dem EuGH klagen.