Shoppen und kicken

Während der Fußball-WM haben viele Geschäfte länger als üblich geöffnet. Die Ausnahmeregelung gilt als Testlauf für eine weitere Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Gewerkschaften kritisieren Zusatzbelastungen für viele Verkäuferinnen

von RICHARD ROTHER

Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 will die Hauptstadt ein Einkaufsparadies für Berliner und Touristen sein. Eine Sondergenehmigung erlaubt den Geschäften, von Montag bis Samstag von 6 bis 24 Uhr und an Sonntagen von 14 bis 20 Uhr geöffnet zu haben. Diese Zeiten werden aber wohl kaum ausgeschöpft.

Das Experiment der verlängerten Öffnungszeiten zur WM hat über das Fußball-Event hinaus Symbolcharakter: Läuft es gut, könnte mit der Föderalismusreform eine weitere Liberalisierung der Berliner Öffnungszeiten anstehen. Läuft es schlecht, werden sich möglicherweise auch die Liberalisierer bescheiden. So oder so haben die Umsatzzahlen der kommenden Wochen nur bedingten Aussagewert: Einerseits lockt der Event-Charakter der WM und der spätabendlichen Öffnungszeiten Kunden an. Andererseits werden viele Fußball-Fans lieber vor dem Fernseher hocken, als nach Schnäppchen zu jagen.

Dass diese Furcht der Händler real ist, zeigen diverse Rabatt- und Werbeaktionen – mit denen Kunden gerade während der WM-Partien angelockt werden sollen. So offeriert die Galeria Kaufhof täglich ab 15 Uhr zusätzlich zehn Prozent auf bereits reduzierte Artikel. Einen geradezu irren Marketing-Gag hat sich Ikea in Tempelhof einfallen lassen: Wer gerade an der Kasse steht, wenn ein Tor fällt, darf darauf hoffen, seinen Einkauf geschenkt zu kriegen. Und wer beim Torwandschießen sechsmal trifft, kriegt ein Sofa geschenkt – auch diese Aktion startet erst am Nachmittag.

Die meisten Geschäfte gehen allerdings vorsichtig mit den Öffnungszeiten um. Zwar haben viele Einkaufscenter sogar bis 24 Uhr geöffnet, in den Kauf- und Warenhäusern ist aber um 22 Uhr Schluss. Das KaDeWe zum Beispiel hat nur von Donnerstag bis Samstag bis 22 Uhr geöffnet, von Montag bis Mittwoch ist um 20 Uhr Schluss. Das Konzept beruhe auf langjährigen Erfahrungen, so eine Firmensprecherin. „Wir kennen das Einkaufsverhalten unserer Kunden.“

Die Galeria Kaufhof am Alex hingegen öffnet täglich bis 22 Uhr, sonntags ist um 18 Uhr Schluss. Eine Wissenschaft für sich sind die Öffnungszeiten von Media Markt: Mal ist eine Berliner Filiale bis 22 Uhr geöffnet, eine andere aber nur bis 20 Uhr. Samstags ist wahlweise um 20, 22 oder 24 Uhr Schluss, und sonntags sind 4, 6 oder 0 geöffnete Stunden im Angebot.

Der Berliner Einzelhandelsverband wertet die WM-Aktionen dennoch positiv. „Das ist für uns ein interessanter Testlauf“, so Verbandschef Nils Busch-Petersen. Solche Aktionen habe man noch nie über einen längeren Zeitraum ausprobieren können. Sicher werde es einen Umsatzschub geben.

Kritisch sieht das Ganze die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. „Die Freude über die WM darf nicht zulasten der Beschäftigten gehen“, sagt Ver.di-Handelsexperte Günther Waschkuhn. Auch Verkäuferinnen wollten Spiele sehen oder hätten Kinder zu betreuen. Über 10.000 Beschäftigte seien in Berlin betroffen. Geklagt werde in Berlin aber nicht, weil dies die Rechtslage nicht mehr ermögliche.