Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Der Überschwang, mit dem derzeit vielerorts geflaggt wird, hat schon was von Kindern aus strengem Hause, die sich nach Jahren vernunftbegabter Mäßigung beim ersten McDonald’s-Besuch völlig überfressen

Nirgendwo sehe ich das Turniermotto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ so konsequent umgesetzt wie im deutschen Strafraum

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Spiel ohne Ball.

Was wird besser in dieser?

Jetzt mit ...

Klinsmanns Elf spielt wie beim Confed-Cup: vorne offensiv und hinten offen. Ist das nicht der Fußball, den wir uns von der deutschen Elf immer erhofften hatten?

Den deutschen Bilanzbuchhalterfußball der Achtziger- und Neunzigerjahre präsentierten zur Zeit ja ganz offensichtlich die völlig schmerzfreien Engländer. Klinsmanns Fohlen dagegen haben schon etwas von Disneyfußball, überall lustige Effekte und am Ende haben sich alle furchtbar lieb. Dieses verspielt-uneitle Auftreten ist bemerkenswert unteutonisch, wenn man schon mal vom Sport aufs Nationale schließen möchte.

Wäre es andererseits nicht doch schön, wenn die deutsche Innenverteidigung mal irgendwas richtig machen würde?

Hey … nirgendwo sehe ich das Turniermotto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ so konsequent umgesetzt wie im deutschen Strafraum!

Turniermannschaft hieß es früher über die Deutschen. Stimmt das noch? Wie weit können sie kommen?

Bis in die Herzen.

War der Zoff zwischen Michael Ballack und Jürgen Klinsmann nur Medienhype? Oder bahnt sich da ein Machtkampf an?

Hätte sich Herberger bei seinem Geniestreich, im ersten Turnierspiel die zweite Garde bitter verlieren zu lassen, der heutigen Medienlandschaft ausgesetzt, wäre das sein Rauswurf gewesen. Ich habe eine vernünftige Erklärung des Trainers und eine einsichtige Stellungnahme des betroffenen Spielers gehört. So what? Weitermachen!

Ist es eigentlich okay für Deutschland zu sein?

Grundsätzlich nein. Aber ich darf das.

Die alten Reflexe – wenn alle für dafür sind, sind wir erst recht dagegen – gelten also nicht mehr?

Es gab schon deutsche Mannschaften, mit denen man sich weniger identifizieren konnte. Bisher kann ich mich noch auf keinen Spieler richtig einhassen, und bisher ist der vaterländische Taumel so verspielt, dass sich Abgrenzungsbedürfnisse in Grenzen halten.

Und das Meer von schwarz-rot-goldenen Fahnen und Farben – ist das auch in Ordnung? Oder erhebt da der Revanchismus sein hässliches Haupt?

Der Überschwang, mit dem derzeit vielerorts geflaggt wird, hat schon was von Kindern aus strengem Hause, die sich nach Jahren vernunftbegabter Mäßigung beim ersten McDonald’s-Besuch völlig überfressen. Die Opportunisten werden nach der ersten Niederlage ans Einrollen denken, bei Finalteilnahme wird das Symbol vom Ereignis nachhaltig geadelt werden. Ist doch hübsch, dass die Nazis sich eh schon für die Reichskriegsflagge und ähnlich Erbrochenes entschieden haben, da kann das Burschentuch positiv aufgeladen werden. Die Cola-Kampagne mit deutscher Flagge und der Suggestion, „1954, 1974, 1990, 2006“ ist das Peinlichste, aber okay, so sind die Amis.

Ist es richtig wie in Gelsenkirchen gegen 200 Nazis zu demonstrieren? Oder wertet man die so unfreiwillig auf?

Die Zulassung des Aufmarschs ist ungehörig. Nachdem es dazu aber kam, muss man sich wehren dürfen.

Was ist bisher bei der WM die größte positive Überraschung?

Trinidad und Tobago.

Was die größte Enttäuschung?

Schweden.

Wird die WM, wenn es gut weiterläuft, Bundeskanzlerin Merkel nützen? Oder sind das nur Spekulationen, mit denen sich Meinungsforscher wichtig machen?

Eigentlich wäre es für Merkel sehr untypisch, eine solche Phase des Unbehobachtetseins ungenutzt versteichen zu lassen. Wenn sie wirklich eine Gesundheitsreform will, macht sie sie am Mittwoch um 20.15 Uhr. Merkt keine Sau. Und: Wenn die deutsche Mannschaft über Erwarten gut abschneidet, dann wird schon ein bisschen Abglanz auf die amtierenden Repräsentanten der deutschen Politik abstrahlen. FRAGEN: SR