Textaufgaben als Hürde

Matheprüfungen des neuen Mittleren Schulabschlusses hatten es in sich. Hauptschulleiter fürchten, dass fast alle ihrer Zehntklässler durchfallen

von Sebastian Lehmann

Der erstmals durchgeführte Prüfung zum zentralen Mittleren Schulabschluss (MSA) sorgt für heftige Kritik an Berliner Schulen. Nicht nur die Schüler stöhnen über zu schwere Matheaufgaben. Auch Leiter der Hauptschulen fürchten, dass fast alle ihrer Schüler durchfallen werden. Intern fordern einige Schulleiter bereits eine Neubewertung der Prüfungsergebnisse.

Bei der zentralen Prüfung mussten im Mai alle Berliner Zehntklässler dieselben Aufgaben in insgesamt drei Fächern lösen. Nach einem Probelauf im Vorjahr entscheidet die Prüfung nun erstmals darüber, wer aufs Gymnasium wechseln darf. Zudem ersetzt sie den bisherigen Realschulabschluss (s. Kasten).

Offizielle Ergebnisse liegen noch nicht vor. Deswegen will sich die Senatsschulverwaltung auch noch nicht zu den Problemen äußern. „Bei Prüfungen fallen immer welche durch“, versucht Kenneth Frisse, Sprecher von Schulsenator Klaus Böger(SPD), zu beruhigen.

Norbert Gundacker, bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin für die Hauptschulen verantwortlich, spricht hingegen von „katastrophalen“ Zuständen vor allem an Hauptschulen, aber auch an Real- und Gesamtschulen. Ihm sei eine Hauptschule bekannt, die bei bisherigen Tests, etwa Pisa, immer recht gute Ergebnisse erzielte. Bei der MSA-Prüfung habe es aber in Mathe außer einer Vier nur Fünfer und Sechser gehagelt.

Laut Gundacker waren vor allem die Textaufgaben das Problem, sie machen aber einen großen Teil der Prüfung aus. Die Aufgaben seien kaum an die „Lebenswelt eines normalen Hauptschülers“ angepasst, kritisiert Gundacker. So wird zum Beispiel für eine komplexe mehrstufige Rechenaufgabe ein Zahlenbeispiel aus der Weinproduktion genannt. Im Text werden Begriffe wie Kelterung und Maische verwandt, die für einen durchschnittlichen Berliner Schüler wohl eher befremdlich klingen. Solche textlastigen Aufgaben würden besonders stark Schüler mit Migrationshintergrund treffen, die bisher in Matheprüfungen stets besser abgeschnitten hätten als in Deutsch oder Englisch, so Gundacker.

Schulleiter vor Ort bestätigen die Angaben des Gewerkschafters. Mathematisch seien die Prüfungen nicht so schwierig gewesen, sagt etwa Ralf Schiweck, Leiter der Waldenburg-Schule in Tempelhof-Schöneberg. Aber der Aufgabentext sei uneindeutig. So habe es immer nur „Begründe“ und nicht „Begründe rechnerisch“ geheißen. Zudem seien überwiegend Unterrichtsstoffe aus der 8. Jahrgangsstufe abgefragt worden und nicht die Themen der aktuellen 10. Klasse. Das sei bei den offiziellen Übungsaufgaben noch anders gewesen.

Um die hohe Zahl der Durchfaller einzudämmen, plädiert Schiweck dafür, dass Schüler eine Sechs in Mathe etwa mit einer Zwei in Deutsch ausgleichen können. Bis jetzt gilt bei einer Sechs in einem Fach die ganze Prüfung als nicht bestanden, nur eine Fünf kann ausgeglichen werden. Bliebe es bei dieser Regelung, würde fast kein einziger Hauptschüler ans Gymnasium wechseln können. Das sei zwar auch in den vergangenen Jahren schon die Ausnahme gewesen, aber stets hätten es einige seiner Schüler geschafft, so Schiweck.

Den Realschulen drohen durch die hohe Durchfallerquote zudem volle Klassen im kommenden Schuljahr. Wenn alle Schüler, die nicht bestanden haben, im nächsten Jahr ihren Abschluss nachholen wollen, wird es eng in den Klassenzimmern.