Nachwuchsprobleme bei Privatversicherern

Die privaten Krankenkassen wollen vor Gericht um ihre Lieblingskunden kämpfen: um die Gesunden und Reichen

BERLIN taz ■ Die Privaten Krankenversicherungen (PKV) bangen um ihre Neukunden. Auslöser sind Überlegungen, auch die Einkommen der Privatversicherten anteilig in einen möglichen Gesundheitsfonds einzuspeisen. Damit würde sich für junge, gesunde Gutverdiener – die umworbenste Zielgruppe – eine solche Versicherung nicht mehr auszahlen.

„In der Konsequenz geht es um die Abschaffung der privaten Krankenversicherung “, sagte PKV-Verbandschef Reinhold Schulte gestern. Er drohte mit gerichtlichen Schritten, denn die Einbeziehung der Privatversicherten sei verfassungsrechtlich höchst bedenklich.

Dieses Modell wird derzeit in der Runde der Fachpolitiker aus Union und SPD als Mittelweg zwischen den Konzepten Bürgerversicherung und Kopfpauschale diskutiert. Mit dem Fonds soll die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, die unter Alterung und Arbeitsplatzabbau leidet, gesichert werden.

„Eine Einbeziehung der Privaten wäre der Einstieg in die Bürgerversicherung“, sagte Schulte. Partei-Linke wie Gesundheitsexperte Karl Lauterbach setzen sich deshalb auch vehement für eine Beteiligung Privatversicherter ein.

Ein Fondsmodell wäre seiner Ansicht nach nur mit Einbeziehung der Privaten sinnvoll. „Die Regierung kann keine Gesundheitspolitik für Chefärzte und Aktienkurse machen“, sagte Lauterbach der taz. Auch für die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Carola Reimann, ist der Fonds kein Selbstzweck: „Wichtig ist, wer daran beteiligt ist“, sagte sie zur taz. Die SPD sei nach wie vor für die Beteiligung der Privaten, um die solidarische Basis zu verbreitern.

Unklar ist, ob sich Reimann, Lauterbach und die anderen SPD-Mitglieder in der Reformrunde gegen die Vorstellungen ihrer Unionskollegen durchsetzen können, die überwiegend gegen eine Ausweitung sind.

Die PKV hat nun ihren vor zwei Jahren vorgebrachten Vorschlag erneuert, freiwillig gesetzlich Versicherte – deren Einkommen über der Pflichtgrenze von 3937,50 Euro liegt – zu Konditionen der gesetzlichen Krankenkassen zu versichern. In den gesetzlichen Kassen blieben mäßig und schlecht Verdienende zurück. Während man im SPD-geführten Gesundheitsministerium diesen Vorschlag als Schritt in die richtige Richtung begrüßt, bleibt Reimann reserviert: „Die PKV muss alle versichern.“

Derzeit wählen die Privaten ihre Kunden nach Alter und Krankheitsrisiko aus. Um sich gegen die Risiken des Älterwerdens abzusichern, bilden sie für ihre Mitglieder Rückstellungen, die sich inzwischen nach eigenen Angaben auf 103 Milliarden Euro belaufen. Höhere Preise für medizinische Leistungen und Arzneimittel sichern Privatpatienten eine exklusive Behandlung durch Chefärzte und Niedergelassene. ANNA LEHMANN