„Mehr als eine Milliarde geht nicht“

Die SPD-Linke protestiert gegen die Pläne von Finanzminister Steinbrück, der die Unternehmen um mindestens fünf Milliarden Euro entlasten will. „Die Reform muss aufkommensneutral sein“, fordert der SPD-Abgeordnete Ernst Dieter Rossmann

INTERVIEW HANNES KOCH

taz: Herr Rossmann, SPD-Finanzminister Peer Steinbrück will die Steuern für die Konzerne um mindestens 5 Milliarden Euro senken. Wie wollen Sie als SPD-Linker das verhindern? Schließlich ist auch die Union dafür.

Ernst Dieter Rossmann: Die Parlamentarische Linke der SPD betrachtet es nicht als notwendig, dass die nominellen Steuersätze für Unternehmen reduziert werden. Wir sind aber bereit, den entsprechenden Kompromiss im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD mitzutragen. Für uns ist es allerdings wichtig, dass die verlorengehenden Milliarden an anderer Stelle wieder hereingeholt werden.

In der Endphase der rot-grünen Bundesregierung konnte die SPD-Linke die Steuersenkung für Unternehmen vorübergehend verhindern, die damals geplant war. Wie schätzen Sie Ihre Chancen jetzt ein?

Auch Peer Steinbrück sollte wissen, was er den Menschen zumuten kann. Es passt nicht zusammen, einerseits die Mehrwertsteuer um 24 Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen und gleichzeitig Geschenke an Unternehmen und Wohlhabende zu verteilen. Angesichts der Löcher im Staatshaushalt sind Nettoentlastungen kaum möglich. Genau das steht auch im Koalitionsvertrag.

Der Text des Vertrages spielt im Zweifel eine geringere Rolle als die aktuelle Machtkonstellation. Steinbrück ist in der glücklichen Lage, Union und SPD-Linke gegeneinander ausspielen zu können. Findet Ihre Position überhaupt Gehör?

Das tut sie. Denn der Parteitag der SPD hat unlängst beschlossen, dass die Reform „weitgehend aufkommensneutral“ erfolgen soll. Ausfälle und neue Einnahmen sollen sich also annähernd ausgleichen. Daran muss sich Finanzminister Steinbrück halten, der im Übrigen auch stellvertretender SPD-Vorsitzender ist.

Die Formulierung des Parteitages über die „weitgehende Aufkommensneutralität“ lässt Spielraum übrig. Wie viel Milliarden Euro dürfen fehlen?

Was über 1 Milliarde Euro hinausgeht, ist nicht mehr tragbar.

Das ist deutlich weniger als jene 5 Milliarden Euro, die das Finanzministerium für tolerabel hält. Wie wollen Sie diese Lücke schließen?

Dann kann der Steuersatz für Unternehmen nicht so stark sinken. Oder der Finanzminister muss sich mehr Gedanken über Zusatzeinnahmen an anderer Stelle machen.

Steinbrück schlägt vor, wohlhabende Privatpersonen stärker zu belasten. Die Steuer auf Aktiendividenden und Aktienverkäufe könnte steigen. Offenbar lassen sich damit aber nicht die Milliarden herausholen, die man für die Gegenfinanzierung braucht.

Es gibt doch viele andere Möglichkeiten. Die heute sehr geringe Belastung von Anteilsverkäufen durch Firmen könnte man erhöhen – oder eine Erbschaft- und Vermögensteuer erheben, die den Namen verdient.