„Von Abschottung kann keine Rede sein“

Wie reagiert das parlamentarische Kontrollgremium des Verfassungsschutzes auf die Spitzelaffäre? Falls Unbeteiligte ausgeforscht wurden, muss das Material sofort vernichtet werden, sagt die Ausschussvorsitzende Heidemarie Fischer

taz: Frau Fischer, das Bespitzeln des Berliner Sozialforums wird ein parlamentarisches Nachspiel haben. Wie wird das aussehen?

Heidemarie Fischer: Der Verfassungsschutz muss uns sämtliche Unterlagen und Akten auf den Tisch legen. Der Ausschuss wird sie genau prüfen – und, wenn nötig, die Konsequenzen ziehen.

Will heißen?

Falls der Verfassungsschutz tatsächlich über seinen von der Politik definierten Auftrag hinaus Menschen oder Gruppen beobachtet und ausgeforscht hat, muss verhindert werden, dass so etwas noch einmal passiert. Ansonsten gilt: Alles Material, das unrechtmäßig gesammelt wurde, hat die Behörde sofort zu vernichten.

Der Verfassungsschutz ist alles andere als auskunftsfreudig. Wie stellen Sie sicher, das Sie wirklich alle Akten einsehen können?

Für mich ist das Neuland, so etwas Spektakuläres ist in dieser Legislaturperiode noch nicht vorgekommen. Formal läuft es so: Das Verfassungsschutzgesetz garantiert den Parlamentariern das Recht, Akten einzusehen. Die Grünen haben den entsprechenden Antrag bereits gestellt. Ich gehe davon aus, dass wir uns im Ausschuss einvernehmlich über das Prozedere einigen werden. Dann werden wir die Unterlagen in einer nichtöffentlichen Sitzung prüfen.

Wie kann es sein, dass die Behörde harmlose linke Bündnisse observiert?

Moment, Moment. Wie Innensenator Ehrhart Körting bereits ausgeführt hat, hatte der Verfassungsschutz autonome Gruppen im Visier. Deren Beobachtung hat die Politik angeordnet, das können Sie in jedem Verfassungsschutzbericht nachlesen.

Und ganz nebenbei wurden Daten über völlig Unbeteiligte miterhoben und auch gespeichert.

Noch einmal: Wenn das der Fall war, gehört das abgestellt. Aber die Trennlinie ist nicht so leicht zu ziehen. Autonome versuchen immer wieder, dort Einfluss zu gewinnen, wo sie ein unzufriedenes linkes Spektrum vorfinden. Auch mit dem Ziel, mögliche Anhänger zu rekrutieren.

Ist Innensenator Körting mit einem wichtigen Projekt, der Reform des Verfassungsschutzes, gescheitert?

Nein. Die Ende 2000 gestartete Reform hat einiges bewirkt. Das einstige Landesamt, das jetzt Teil der Innenverwaltung ist, agiert viel transparenter als früher. Es erstellt Infobroschüren, veranstaltet Podiumsdiskussionen und arbeitet zum Beispiel mit Universitäten zusammen. Auch die Fragen unseres Ausschusses werden immer schnell und ausführlich beantwortet – von Abschottung und Geheimniskrämerei kann keine Rede mehr sein.

INTERVIEW: ULRICH SCHULTE