Ein Kontinent atmet auf

Nach Dramen und Possen erringt Ghana den ersten Sieg für eine afrikanische Mannschaft. Stärker als unter Torwartproblemen leidet der Fußball in Afrika unter korrupten Politikern und Funktionären

AUS KÖLN DANIEL THEWELEIT

Ratomir Dujkovic konnte gar nicht genug kriegen von seinem Bad in der Journalistenhorde. Der serbische Trainer der ghanaischen Fußball-Nationalmannschaft hatte sich nach dem 2:0-Sieg gegen Tschechien in eine riesige Ghana-Fahne gewickelt, seine Augen leuchteten. Es war ein rührendes Bild. Dujkovic sagte: „Das ist ein großer Sieg, nicht nur für Ghana, es ist ein Sieg für den ganzen afrikanischen Kontinent. Man spielt bei einer WM immer für sein Land und für seinen Kontinent.“ Dann hupte der Bus, Dujkovic musste einsteigen, und draußen in der Stadt tanzten die Menschen zu afrikanischen Rhythmen. Der Schwarze Kontinent ist doch noch angekommen bei dieser Weltmeisterschaft.

Mit dem ersten afrikanischen Sieg im achten Spiel wurde die Hoffnung reanimiert, dass zumindest ein Team aus Westafrika ins Achtelfinale einzieht. Ghana kann es mit einem Sieg gegen die USA aus eigener Kraft schaffen. „Nach dem Spiel kam Issa Hayatou, der Präsident des Kontinentalverbands und hat mir gratuliert, für ihn war dieser Sieg sehr wichtig, er war glücklich“, hatte Dujkovic erzählt. Dieses 2:0 ließ den ganzen Kontinent erleichtert aufatmen.

In den acht Tagen zuvor hingegen hat Afrika sein von Unglück gezeichnetes Fußballgesicht gezeigt. Das Scheitern der Elfenbeinküste gleicht einer Tragödie, noch nie kam eine afrikanische Mannschaft so gut vorbereitet zu einer WM. Nur unter dem für Afrika so typischen Torwartproblem litt auch diese große Mannschaft. Trotzdem schenkte das Team dem Turnier seinen ersten fußballerischen Höhepunkt, das 1:2 gegen Argentinien gilt weiterhin als bestes Spiel der bisherigen WM.

„Jeder sagt mir, was wir für eine wunderbare Mannschaft sind, aber das hilft am Ende nichts“, sagte Trainer Henri Michel nach dem 1:2 gegen Holland. Nun fürchtet er um seinen Job. Es ist ein kleines Drama, dass Trainer in Afrika noch weniger geschätzt werden als in Europa. Die Posse um Togos Trainer Otto Pfister nahm derart skurrile Wendungen, dass sie irgendwann einen gewissen Unterhaltungswert entwickelte.

Der Hintergrund dieser Geschichte ist vielleicht das schwerwiegendste Problem des afrikanischen Fußballs: Ein Nationalverband nimmt über Antrittsprämien – vor allem aber über Zuwendungen der Fifa – für afrikanische Verhältnisse gigantische Devisensummen ein. Eigentlich sind diese Gelder für die Mannschaften und zur Reinvestition in den Fußball gedacht, „aber die Fifa kontrolliert viel zu lax, was mit dem Geld passiert“, hat Claude Le Roy, der Trainer des Kongo, einmal gesagt. Auch er saß schon vor wichtigen Spielen bis nachts um fünf Uhr am Telefon und verhandelte mit dem Staatschef der Republik.

Die Fifa, die sich so gern als Weltstaat des Fußballs und moralische Superinstanz profiliert, schert sich nicht um diese Strukturen, sie ist aber die einzige Macht, die Einfluss nehmen könnte, indem sie Sanktionen verhängt, Gelder zurückhält. Das tut sie nicht, warum also sollten die Funktionäre etwas rausrücken von dem schönen Geld? Kritiker sagen, dass Fifa-Präsident Sepp Blatter hier gezielte Ignoranz walten lasse und sich so die Stimmen der Nationalverbände sichert.

Sportlich schlagen sich die tapferen Togolesen und Angola trotz allem bewundernswert. Dass man diese beiden Teams bald wieder sieht bei einer WM, ist jedoch unwahrscheinlich. Was bleibt ist ein Schaden, der so schnell nicht repariert werden kann. „Es gibt viele Leute im Fußball, die Afrika nicht mögen, die werden durch diese Sachen bestätigt“, sagte Le Roy nach Ghanas Sieg. „Wir müssen diese Art des Umgangs wirklich stoppen.“ Afrika hofft auf einen sechsten Startplatz, wenn das Turnier 2010 in Südafrika stattfindet.

Die Hoffnungen bei dieser WM ruhen nun auf Ghana und Tunesien – wenngleich die Araber bei ihrem dürftigen Auftritt gegen Saudi-Arabien nicht überzeugten. Das Potenzial für echten afrikanischen Fußballzauber fehlt ihnen ohnehin, ihr Spiel ist langweilig. Ghanas Sieg in Köln hingegen war ein großes Fest, die Tribüne, auf der sich deutsche Karteninhaber mit den Afrikanern mischten, feuerte die Mannschaft hingebungsvoll an und sang zwischendurch kölsche Karnevalslieder. Es gibt offenbar ein starkes Bedürfnis nach Identifikation mit Afrika unter den neutralen Anhängern. „Man merkt den Zuspruch auf der Straße, es laufen viele Leute mit Ghana-Shirts rum, und das hier im Stadion war unglaublich“, sagte Otto Addo, der für Mainz 05 und für Ghana spielt. Nicht nur Afrika, auch viele Europäer fiebern nun mit diesem Team.