Kitsch oder libeskindsche Mode


VON CORD MACHENS

Als beschauliche Platanenallee durchzieht die Venloer Straße den Grünzug vor der Kölner Neustadt, um jäh von der sechsspurigen Inneren Kanalstraße durchtrennt zu werden. Hier beginnt der Stadtteil Ehrenfeld mit einer lauten Kreuzung. Umstanden von protzigen Immobilienverwaltungen und der Telekom, die sich hier vom Waschbetonklotz über einen zwanziggeschossigen Riegel zum Fernsehturm Colonius aufschwingt. Seine 266 Meter Höhe böten einen fantastischen Blick, wäre nicht das Turmrestaurant seit Jahren geschlossen.

Das einzig Harmlose in diesem Niemandsland sind die flachen Gewerbebauten, in denen die DITIB residiert, die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“. Drei Jahre hat der „Trägerverein Zentralmoschee“, ein Zusammenschluss von 15 islamischen Organisationen, nach einem Grundstück gesucht, in Mülheim auf der rechten Rheinseite und sogar in der Innenstadt. Dann ist die DITIB aus dem Trägerverein ausgestiegen – und hat sich selbst gefunden. Sie will die Moschee auf dem Grundstück errichten, das ihr gehört. Dort gibt es Basar, Verwaltung, Bürgerberatung. Und längst auch eine Moschee, unscheinbar und ohne Minarett – undercover sozusagen.

Nun will man sich zeigen. Die DITIB hat einen Wettbewerb für Moschee und Gemeindezentrum ausgelobt und von 50 Entwürfen fünf prämiert. Platz 5 (Fritschi, Düsseldorf) schlägt einen unruhig gestaffelten Baukörper vor, Platz 4 (JEP, Düsseldorf) umhüllt die Moschee geschäftshausmäßig. Beide Entwürfe erschließen das Grundstück ungeschickt von der Inneren Kanalstraße. Die Plätze 1 bis 3 belegen Kölner Architekturbüros. Der Entwurf des Büros Lorber + Paul, das beim Wettbewerb den dritten Platz belegte, bildet einen elegant abgerundeten Solitär mit heiter schimmernder Fassade. Platz 2 (Wallrath + Weinert) verzichtet als einziger Entwurf auf Kuppel und Minarett. Aus einer arabesk durchscheinenden Wand entwickelt sich die Turmskulptur – Auftakt expressiv sakraler Wegräume. Platz 1 (Böhm + Böhm) umrahmt mit zwei Minaretten eine hohe Kuppel, die fragmentiert und grobmaschig verglast ist. Wenn diese gewagte Ökumenegeste wirklich verschränkte Hände assoziieren soll, wie ein Vertreter des Büros erläuterte, dann ist das hart am Kitsch. Und wenn es dekonstruktiv sein soll, ist es libeskindsche Mode.

Aber diese Rangfolge ist nur eine Empfehlung, der Bauherr ist in seiner Entscheidung frei. Nun ringt er, und man weiß nicht, was für wen spricht. Der Preisträger Nummer 4 ist Türke, der zweite Entwurf ist von einer Architektin und der Verfasser von Nummer 1 ist ausgewiesener Christ und Kirchenbaumeister. Mit der sentimentalen St. Kolumbakapelle (6) hat sich Gottfried Böhm 1950 tief ins Kölner Gemüt geprägt. Seine Wallfahrtskirche in Neviges (7), mit der er 1963 berühmt wurde und für die er den Pritzker-Preis bekam, eine Art Nobelpreis für Architekten, ist eine Betonburg in mystischer Tradition. Die Herz-Jesu-Kirche in Schildgen (8) von 1957 zeigt sich mit vielen Kegeltürmen hinter einer Mauer eher orientalisch. Böhms Zeichnungen sind durch den expressiven Kohlestrich, den er von seinem Vater Dominikus ererbt hast, leicht identifizierbar – sei ein Wettbewerb auch noch so anonym. Das Preisgericht hat also ihn gewollt, weil ein Kirchenbauer eben alles Sakrale kann?

Das aber ist das Problem, denn es gibt keine Tradition zeitgenössischer Moschee-Architektur. In islamischen Ländern folgten die Bauten überlieferten Typologien. Hier, in westlich-aufgeregterer Kunstproduktion, geht es seit der Antike immer um Stilfragen. Deswegen gilt Palladio (1508-1580) als „Renaissance-Architekt“, sein Zeitgenosse Sinan (1497-1588) aber als „Moscheenbauer“. Von Sinan gab es nur Säulensaalmoscheen, mehrschiffige Gebetsräume, die sich aus Heerlagern entwickelt hatten, oder Hofmoscheen mit großen Gebetsnischen an gegenüber liegenden Seiten. Erst nach der Eroberung Konstantinopels 1453 „erfindet“ Sinan die Kuppelmoschee, mit Haupt- und kleinen Nebenkuppeln. Und er entwickelt sie aus dem Vorbild der Hagia Sophia, der frühchristlich-byzantinischen Kirche. Sinan selbst war Christ. Wenn nun überall kleine Hagia Sophias entstehen, wirken sie wie Miniaturen einer großen Idee. Das ist niedlich und irritiert. Kuppeln sind aus Stein, mit Beton oder Stahl entstanden andere Konstruktionen und Bilder: die Architektursprache der „Modernen“. Was aber ist eine moderne Moschee?

Das alles interessiert in Köln wenig, weil den muslimischen und christlichen Promotern der zentralen Moschee ein ganz anderes Problem im Nacken sitzt: die rechtsextreme Bürgerbewegung „Pro Köln“. Die Partei, die mit fünf Mandatsträgern im Kölner Stadtrat vertreten ist, wehrt sich gegen jede sich selbstbewusst zeigende Moschee. „Pro Köln“ hat die bisherigen öffentlichen Veranstaltungen systematisch gestört. Strategisch verteilt nervten Sympathisanten mit den bekannten Einwänden: zu wenig Parkplätze (es werden genug angeboten!) und zu lauter Muezzin (man wird ihn draußen nicht hören!).

Zudem spielt die Ehrenfelder CDU mit dem Feuer, wenn ihr Vorsitzender Jörg Uckermann einfach so behauptet, 80 Prozent der Bevölkerung seien gegen die Moschee. Es gibt wenig Begeisterung für demonstrative Toleranz im „hilligen“ Köln. Wie hoch die Wellen schlagen, zeigen die Fragen auf einer Internetseite, die der Kölner Stadt-Anzeiger eingerichtet hat und gelegentlich auch beantwortet. Frage: „Reicht die alte Moschee nicht mehr aus? Wollen sie größer bauen, um uns zu zeigen, wie überlegen sie sind?“ Antwort der Zeitung: „Die Räumlichkeiten sind extrem beengt und in baulich sehr schlechtem Zustand. Ditib sagt, wenn man neu baue, wolle man auch eine ansprechende Architektur entwickeln.“ Das ist brav und neutral beantwortet, wo etwas Parteilichkeit der Integration dienen könnte. Köln war einmal, es ist lange her, das Zentrum abendländischer Architektur. Heute diskutiert man über diesen Neubau, ohne dass von architektonischer Qualität die Rede ist. Ein notwendige Debatte wird hier nicht geführt, in Köln reicht es, dass man „ansprechend“ baut.

Trotz dieser Beschränkung heißt es: Augen auf und durch! Der Bauherr sollte sich schnell entscheiden – wenn er strategisch denkt (die Kölner lieben ihren alten Böhm!), für den 1., wenn er mutig ist, für den 2. Preis. Und dann mit vereinten Kräften ans fromme Werk. Weltarchitektur wird so nicht entstehen, aber ein notwendiges Zeichen.