Gasag muss Deutsch lernen

Das Landgericht stoppt die Gasag-Preiserhöhung. Die Geschäftsbedingungen des Konzerns seien „zu intransparent“ formuliert. Über 300.000 Kunden können jetzt auf eine Rückzahlung hoffen

von ULRICH SCHULTE

Noch im April gaben sich die versammelten Gasag-Vorstände siegesgewiss. Man freue sich geradezu auf die juristische Klärung, sagte Vertriebsvorstand Andreas Prohl, auf die Sammelklage gegen seinen Konzern angesprochen. Die Freude dürfte sich gelegt haben. Denn das Landgericht gab gestern der Klage von 38 KundInnen statt.

Die Richter erklärten damit den Preisaufschlag von rund 10 Prozent, den der Energieversorger seinen Kunden im Oktober aufdrückte, für unwirksam. Das – noch nicht rechtskräftige – Urteil kann weitreichende Folgen haben: Hunderttausende Kunden könnten eine Rückzahlung erhalten. Dem Konzern drohen Ausgaben „in dreistelliger Millionenhöhe“, wie ein Sprecher sagte. Die Gasag kündigte umgehend Berufung an.

Doch nicht alle rund 700.000 Gasag-Kunden dürfen jetzt auf eine Erstattung hoffen. Das Urteil macht nur den 340.000 Haushaltskunden Mut, die mit Gas zum Beispiel Warmwasser erzeugen oder ihre Heizung betreiben. Sie nutzen nämlich Tarife, für die die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmens gelten. Darunter fällt zum Beispiel der beliebte Gasag-Standardtarif Vario. Für rund 300.000 Kochgasabnehmer bleibt alles, wie es ist: Ihre Verträge laufen unter einer allgemeinen Gasversorgungs-Verordnung, nicht unter den Geschäftsbedingungen.

Bei denen setzt das Gerichtsurteil an: „Die Kammer hält die darin formulierten Regelungen zu Preiserhöhungen für unwirksam“, sagt Gerichtssprecherin Katrin-Elena Schönberg. Der Grund: Die Gasag schreibt darin zwar, dass ihre Kunden wegen steigender Einkaufspreise jederzeit mit Preiserhöhungen rechnen müssen – sie tut dies aber in schlimmstem Bürokratendeutsch. „Das ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot“, sagt Schönberg.

Bei der Gasag, die nach der Preiserhöhung 41.000 Beschwerdebriefe bekam, zeigte man sich überrascht. „Das Urteil ist natürlich eine Enttäuschung“, sagt Konzernsprecher Klaus Haschker. „Wie sollen wir in Zukunft steigende Einkaufspreise verkraften, wenn wir sie nicht an die Kunden weitergeben dürfen?“ Ein Gutachten von Wirtschaftsprüfern bestätige, dass der Energieversorger längst nicht alle Kosten an Kunden weiterreiche, so Haschker.

Mit dieser Kernfrage – sind die Gasag-Tarife Abzocke oder nicht? – hat sich das Gericht aber nicht beschäftigt. „Die Klage hatte Erfolg, ohne dass über die Rechtmäßigkeit der Preiserhöhungen entschieden werden musste“, sagt Gerichtssprecherin Schönfeld. Das hatten Verbraucherschützer bezweifelt, die die Kunden im Prozess unterstützten. Zumal die Gasag nicht nur im Oktober 10 Prozent mehr Geld wollte – schon im Januar folgte die nächste Teuerung um 12 Prozent. Die Berliner Richter sind allerdings nicht die Einzigen, die eine komplizierte Bewertung von Ölpreisbindung und Tarifkalkulation meiden. Im März hatte das Bremer Landgericht dem dortigen Energieversorger swb verboten, die Preise zu erhöhen – wegen einer zu unbestimmten Klausel in den Geschäftsbedingungen.

Ob die BerlinerInnen von dem Urteil profitieren, ist noch unklar. Erst in drei Wochen stellt das Gericht die schriftliche Begründung zu. Dann hat die Gasag zwei Monate Zeit, die angekündigte Berufung einzulegen und zu begründen. Wann dann erneut verhandelt wird, ist offen.