Die Berliner Mauer wird Museum

Der rot-rote Senat verabschiedet das Gedenkkonzept zur Mauer. Im Zentrum der Erinnerung stehen die Bernauer Straße, der Checkpoint Charlie und das Brandenburger Tor. An zehn weiteren Orten werden unterschiedliche Themen angepackt

Von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Der Senat hat nach jahrelanger Diskussion gestern das „Gesamtkonzept zur Erinnerung an die Berliner Mauer. Dokumentation, Information und Gedenken“ beschlossen. Die geschichtspolitische Bedeutung des Mauergedenkkonzepts unterstrichen der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und die Senatoren am Dienstag symbolträchtig: Die Senatssitzung wurde im Dokumentationszentrum Berliner Mauer an der Bernauer Straße abgehalten.

Nach dem Konzept von Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei) soll die Bernauer Straße zur „zentralen Erinnerungslandschaft“ vom Nordbahnhof bis zum Mauerpark ausgebaut werden. Eine wichtige Rolle spielen auch der frühere Grenzübergang Checkpoint Charlie, die East Side Gallery, das Brandenburger Tor und rund zehn weitere dezentrale Mauerorte. Für die konkrete Ausgestaltung der Orte will Flierl Wettbewerbe ausloben. Bis 2011 soll diese „Gedenkstätte von gesamtstaatlicher Bedeutung“, so Flierl, fertig gestellt sein – vorausgesetzt, der Bund hält sich an seine Zusage, rund die Hälfte der Investitionen von über 20 Millionen Euro mitzutragen.

Die Erweiterung der Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße steht im Mittelpunkt des Konzepts. Spiegelt sich doch in der Geschichte der Straße exemplarisch die Auswirkung des Mauerbaus. Hier wurden 1961 brutal die Stadträume gespalten, Familien und Lebenswege getrennt. Zur Flucht wurden Tunnel gegraben, das DDR-Regime ließ auf Flüchtige schießen. Zusätzlich zum bestehenden Dokumentationszentrum – das ausgebaut und mit einer Dauerausstellung bestückt wird – , dem Denkmal und der Versöhnungskapelle werden zwischen Nordbahnhof und Strelitzer Straße ein Info-Pavillon, die Kennzeichnung noch vorhandener Spuren (Grenzmauer, Tunnel, Kreuze der Toten, Rudimente der Wachtürme) sowie biografische Zeugnisse in Form von Filmen und Tafeln dokumentiert.

Zwischen der Strelitzer- und Brunnenstraße sieht das Konzept außerdem eine Freilichtausstellung mit 14 Standorten vor, in der Besucher eine „Anschauung bekommen, wie die Berliner Mauer auf das Ziel hin konstruiert war, Fluchten zu verhindern“. Ein „Mauer-Miniaturpark“ werde nicht rekonstruiert werden, so Flierl, sondern vorhandene Relikte mit einer „sachlichen“ Dokumentation ergänzt.

Bis 2007 wird in so genannten Passagen der Information im U-Bahnhof Brandenburger Tor ein weiteres mediales Mauergedenken inszeniert. Schwerpunkt der Bild- und Videoinstallationen in den Gängen, Bahnsteigen und Treppen des neuen U-Bahnhofs wird die Geschichte des Brandenburger Tors sein. Als Wahrzeichen der Stadt, ihrer Spaltung und der Überwindung der Teilung in der Nacht zum 9. November 1989 hat das Tor heute den Rang „nationaler“ Symbolik inne. Das Mauer-Erinnern soll diesen Ort des Wandels thematisieren.

Eine zentrale Rolle in Flierls Konzept spielt der frühere alliierte Grenzübergang Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße. Geplant ist an diesem historischen Ort eine Dauerausstellung, die an die Konfrontation der Supermächte im Kalten Krieg erinnert. Sie soll als Ergänzung des Museums am Checkpoint Charlie entstehen, welches showträchtig das Schreckensbild der Mauer, ihrer Akteure und Opfer verkörpert. Bis zu dieser öffentlich-privaten Lösung wird eine Galeriewand aus Bauzäunen provisorisch über die Geschichte des Grenzübergangs, der erfolgreichen und gescheiterten Fluchten (Peter Fechter), historischer Konfrontationen sowjetischer und amerikanischer Panzer und der Nachwendezeit informieren. Zugleich soll es von hier aus zu anderen Orten des Mauer-Gedenkens in Berlin Hinweise geben – wie überhaupt das Gesamtkonzept unter der Adresse www.berlin.de/mauer vernetzt sein wird.

Als dezentrale Orte subsumiert das Gedenkkonzept sieben weitere frühere Mauerorte mit unterschiedlicher Perspektive. Wo etwa noch Mauerreste und Wachtürme vorhanden sind, wie am Kieler Eck, dem Potsdamer Platz, an der Niederkirchner Straße und an der East Side Gallery, konzentriert sich das Konzept auf das jeweils Besondere, Individuelle und die historische Schichtung der einstigen Grenzmarkierungen und seiner Veränderungen.

Abgerundet wird das Gedenkkonzept mit bekannten Topografien im Rahmen der Mauer und dem Aspekt der Spaltung sowie ihrer späteren Rezeption. Hierzu zählen der Tränenpalast, der Checkpoint Bravo am Grenzübergang Drewitz sowie die Geisterbahnhöfe.

„Trennung und Verbindung“ lautet schließlich der letzte Punkt des Konzepts. Hier werden Mauerwege markiert und dokumentiert. Und schließlich ist vorgesehen, die Geschichtsmeile/Doppelpflasterreihe mit Informationstafeln zu sichern und zu ergänzen.

Das Konzept ermögliche, die zentralen Punkte und den Verlauf der Mauer im Stadtbild „erkennbar und erlebbar“ zu machen, resümierten gestern Wowereit und Flierl. Berlin sei der Ort gewesen, an dem die Teilung am deutlichsten hervorgetreten und die Folgen für die Menschen am unmittelbarsten zu spüren gewesen seien. Mit dem Konzept werde der politischen Verantwortung endlich Rechnung getragen.