AUSBILDUNGSPLÄTZE: DIE REGIERUNG WILL DAS PROBLEM AUSSITZEN
: Lehrstellenpakt mit der Demografie

Die schwarz-rote Bundesregierung hat nicht die geringste Absicht, mehr zur Schaffung von Ausbildungsplätzen zu unternehmen als vor ihr die rot-grüne Regierung. Sie wird also die Unternehmen bitten, Lehrlinge einzustellen, und dies „Ausbildungspakt“ nennen. Kanzlerin Angela Merkel hat gar gestern im Bundestag noch einmal versprochen, 300 Unternehmen extra anzuschreiben.

Ebenso gut hätte sie sagen können: Wir sitzen das Problem aus. Warum auch nicht? Letztlich haben Jugendliche ohne Ausbildungsplatz kaum eine Lobby. Meinungsbildner kennen meist nur die Universität von innen – unter „duales System“ verstehen die meisten eher die Mülltrennung als die Berufsausbildung zwischen Betrieb und Schule. Die Pisa-Misere setzt sich in der Ausbildungsmisere fort: Solange die Bildungsschichten ihre Kinder in Gymnasium, Uni oder vielleicht noch in einer Bank-Lehre untergebracht wissen, bleibt für den anderen Nachwuchs nur Gleichgültigkeit über.

Merkels Wirtschaftsminister Michael Glos hat es auch im Kabinett schon angedeutet: Er sieht das Problem weniger darin, dass junge Menschen keine Chance bekommen, als in der Demografie. Es kommen halt gerade die letzten geburtenstarken Jahrgänge auf den Markt. Soll heißen: Gegen Ende der Legislaturperiode strömen weniger Jugendliche nach, dann wird sich die Lücke zwischen Ausbildungsangebot und -nachfrage hoffentlich wieder verringert haben. Und das wird dann als Erfolg verkauft.

Merkel, Glos & Co. übersehen dabei, dass jedes Jahr zehntausende von Jugendlichen unversorgt bleiben und deshalb im nächsten und im übernächsten Jahr einen neuen Anlauf starten. Diese „Bugwelle“ von gegenwärtig über 1,6 Millionen jungen Menschen wird diese Regierung nicht so schnell los. Sie müssen aus den öffentlichen Töpfen beschult, bemaßnahmt, betreut, umgeschult und früher oder später dann voll versorgt werden. Es dürfte schwierig werden, sie alle zu Sozialmissbräuchlern zu stempeln – und ihnen zum Schluss noch das Arbeitslosengeld II zu streichen.

ULRIKE WINKELMANN