Zu arm für eine deutsche WM

Teams aus Ghana und Nigeria dürfen nicht zur Straßenfußball-WM einreisen. Visa wegen fehlender Verwurzelung im Heimatland verweigert. Organisatoren protestieren mit Lücken im WM-Programm

von Sebastian Lehmann

Die erste Straßenfußball-Weltmeisterschaft muss mit weniger afrikanischer Spielfreude auskommen als geplant. Die Spieler der Teams „Search and Groom“ aus Ghana und „Play Soccer“ aus Nigeria haben für die Einreise nach Deutschland keine Visa erhalten. Das bestätigte gestern das Auswärtige Amt.

Insgesamt sollten ab Sonntag 24 Teams aus aller Welt auf dem Kreuzberger Mariannenplatz gegeneinander antreten. Das Festival ist offizieller Teil des WM-Kulturprogramms der Bundesregierung. 200 Straßenkicker aus aller Welt sollten teilnehmen. Die Aufstellungen orientieren sich nicht immer an den Staatsgrenzen. Ein Team besteht etwa aus Israelis und Palästinensern, eine afrikanische Mannschaft vereint Fußballer aus Ruanda, Uganda, Kongo und Burundi. Sogar ein Team aus Afghanistan wird antreten.

Die Mannschaften wurden von Sozialprojekten vor Ort zusammengestellt. Die Spieler arbeiten bei Projekten gegen Gewalt, Drogen und Rassenhass oder Aids mit. Viele der jungen Kicker kommen aus wenig gefestigten Familienverhältnissen. Ausgerechnet die fehlende „Verwurzelung im Heimatland“ nennt das Auswärtige Amt nun als einen Grund für die Ablehnung der Visa-Anträge. Offenbar rechnete die Behörde damit, dass die Jugendlichen aus Nigeria und Ghana in Deutschland bleiben wollten.

Jürgen Griesbeck, Organisator der Straßen-WM, wertete die Ablehnung als „großen Rückschlag für die Projekte vor Ort“, die sich über Jahre hinweg engagiert haben, Jugendlichen auch international eine Perspektive zu geben. Um auf die Visa-Problematik hinzuweisen, werden die Teams bei dem einwöchigen Turnier nicht ersetzt, erklärte Griesbeck. Man nehme nun Lücken im Programm ganz bewusst in Kauf. Stattdessen würden beispielsweise Musik und Videoclips gespielt, die die jeweiligen Delegationen auch erarbeitet hätten.

Das Auswärtige Amt teilte mit, dass zwar alle Anträge sorgfältig geprüft worden seien. In einzelnen Fällen hätten die Visa aber leider nicht erteilt werden können. Gemeint waren die beiden afrikanischen Mannschaften, die als einzige von 13 visapflichtigen Ländern nicht am Turnier teilnehmen können.

Die Berlin Tourismus Marketing GmbH bedauerte die Entscheidung. Ein Sprecher der Tourismus-Werber sagte gestern: „Das passt nicht in eine Zeit, in der wir uns gern als weltoffene Gastgeber verstehen.“

Ähnlich argumentierte Berlins Migrationsbeauftragter Günter Piening. Es sei „ein wenig beschämend“, dass den Jugendlichen keine Visa erteilt worden wären. Dies zeige, wie unflexibel die deutsche Visa-Politik geworden sei, sagte Piening. Auch Sportsenator Klaus Böger (SPD) bedauerte, dass die afrikanischen Mannschaften nicht nach Berlin kommen können.

„ ‚Die Welt zu Gast bei Freunden‘ – dieser Slogan muss wohl korrigiert werden“, meinte unterdessen Ulla Jelpke (Linkspartei). „Dass die Bundesregierung erst Straßenkinder einlädt und ihnen dann die Visa mit der Begründung verweigert, die Kinder seien arm, offenbart, wie heuchlerisch die offizielle Gastfreundschaft ist“, empörte sich die Bundestagsabgeordnete.

Moctar Kamara, vom Vorstand des Afrikarats, dem Dachverband afrikanischer Vereine und Initiativen in Berlin-Brandenburg, kann die Entscheidung des Auswärtigen Amtes nicht nachvollziehen. Die Ablehnung spreche nicht für Deutschland, er sei „schockiert“. Die Begründung des Auswärtigen Amtes hält Kamara nicht für ausreichend. Nur weil die abgewiesenen Spieler aus armen Verhältnissen kämen, müsse man sie nicht unter „Genralverdacht“ stellen. „Auch Ronaldo kam aus einer armen Familie“, so Kamara.