Unter dem Pflaster bröckelt der Putz

Vor allem im Westteil der Stadt sind viele U-Bahn-Tunnel und Bahnhöfe marode. Wasser dringt ein, Putz bröckelt, Träger rosten. Die Sanierung koste 401 Millionen Euro, rechnet die BVG vor. Doch das Gefeilsche hat erst begonnen

von ULRICH SCHULTE

Wer beim U-Bahn-Fahren aus dem Fenster schaut, sieht meist schwarz. Zu Recht. Denn viele Tunnel und Bahnhöfe des 150 Kilometer langen Netzes sind renovierungsbedürftig. Und um zu verhindern, dass es unter dem Pflaster weiter leise bröckelt, müsste das Land in den nächsten 15 Jahren enorme Summen locker machen. Die BVG rechne mit Sanierungskosten von 401 Millionen Euro, sagt Sprecherin Petra Reetz.

Die Erneuerung maroder Tunnel vor allem im Westteil der Stadt ist einer der größten Batzen im städtischen Verkehr, der grüne Finanzexperte Oliver Schruoffeneger spricht von einem der „dringlichsten Infrastrukturprobleme“. Jahr für Jahr erwähnt die BVG das Problem im Geschäftsbericht, immer unter dem Punkt „Finanzwirtschaftliche Risiken“. Jetzt beginnt das Gefeilsche.

Denn die Verkehrsbetriebe erstellen gerade im Auftrag des Senats eine Übersicht, wie viel Geld wo nötig ist. Bis Mitte Juli solle diese vorliegen, sagt Manuela Damianakis, die Sprecherin der Verkehrsverwaltung. „Die Zeit ist reif für die Sanierung.“ Nach einer Bewertung werde die Behörde das Papier dem Parlament zur Verfügung stellen.

Die U-Bahn ist eben eine alte Dame des Nahverkehrs. Im Februar 1902 fuhr erstmals eine U-Bahn auf einem Viadukt durch Berlin, gut ein Jahrzehnt später war das Netz schon auf fast 40 Kilometer gewachsen – die Bahnen tuckerten damals schon größtenteils unterirdisch.

Anders als in Städten wie London oder Moskau fahren sie dicht unter der Straße. Die Tunnel sind deshalb ständig Erschütterungen ausgesetzt. „Wir haben besonders mit Dichtungsschäden zu kämpfen“, so Reetz. Die Folge: Wasser tropft in die Tunnel, Putz bröckelt, Träger rosten. Im Osten hat die BVG bereits 2003 die Linie U 5 – und zehn Bahnhöfe – saniert und im Stile der 20er-Jahre aufgehübscht.

Was die Erneuerung kostet, ist derzeit vor allem eine Deutungsfrage: FDP-Verkehrsexperte Klaus-Peter von Lüdeke rechnet gar mit 1 Milliarde Euro. „Allein bei den Tunneln müssen 50 Kilometer Strecke saniert werden.“ Pro Kilometer Neubau setze die BVG 80 bis 100 Millionen Euro an, rechnet von Lüdeke vor. Wenn eine Sanierung nur 20 Prozent des Neubaus koste, komme man auf diese Summe. Der Vergleich hinke, hält die BVG dagegen – und verweist auf vergleichsweise günstige Projekte. Zum Beispiel koste die neue Brücke am Gleisdreieck 8 Millionen Euro, so Reetz. (siehe Kasten)

Die Verkehrsverwaltung äußert sich nicht zu den Zahlenspielen. Aus gutem Grund: Zum einen wacht der Finanzsenator wie ein wild gewordener Kontrolletti über jede Investitionszusage, zum anderen wird sich die Situation in den nächsten Jahren noch verschärfen. Der Bund kürzt dem Land die Regionalisierungsmittel, die es in den Nahverkehr investiert. Allein 2006 und 2007 muss Berlin auf 36 Millionen Euro verzichten. „Wenn es nicht zu drastischen Einschränkungen der Verkehrsangebote kommen soll, wird dies zu Lasten von Sanierungsmitteln gehen“, fürchtet der Grüne Schruoffeneger. Ihn ärgert, dass der Haushaltsausschuss immer noch keinen Einblick bekommen hat – obwohl die Übersicht im Oktober 2005 beantragt worden sei. Schruoffeneger vermutet taktische Gründe. „Rot-Rot will verhindern, dass vor der Wahl Haushaltslücken bekannt werden.“