Die süße Rache der Kuwaiterinnen

Heute finden in dem Golfstaat vorgezogene Parlamentswahlen statt. Erstmals haben auch die Frauen das aktive und passive Wahlrecht. Während des Wahlkampfs eroberten die Kandidatinnen sogar traditionelle Männerdomänen, die Diwaniyas

Nur neun Prozent der Schlüsselpositionen im Staatsdienst sind von Frauen besetzt

VON KARIM EL-GAWHARY

„Es wird ein wahres Fest“, prophezeit Khaledah al-Khadher. Die Party im Golfstaat Kuwait steigt morgen, und al-Khadher wird sich mittendrin befinden. Die Mutter von acht Kindern ist eine der Kandidatinnen bei den ersten kuwaitischen Parlamentswahlen, an denen auch Frauen teilnehmen dürfen. Unter den 402 Kandidaten treten diesmal 32 Frauen an.

Bei einer Verfassungsänderung wurde ihnen vergangenes Jahr erstmals das aktive und passive Wahlrecht verliehen. Vorausgegangen war ein jahrelanger Streit, in dem sich ein männliches Bündnis aus konservativen Stammesfürsten und Islamisten im Parlament stets gegen das Frauenwahlrecht quergestellt hatte. „Viele sagen, wir werden keine Sitze bekommen, aber ich glaube fest daran, dass es einige von uns schaffen werden“, meint al-Khader. Frauen stellen mit 195.000 der 340.000 Wahlberechtigten immerhin 57 Prozent der Wählerschaft für das 50-köpfige Parlament.

Und deren Mobilisierung ist in vollem Gange, oft auch mit den Eigenheiten eines ölreichen Wüstenstaates. Die private kuwaitische Charterfluggesellschaft Al-Dschasira Airways bietet allen kuwaitischen wahlberechtigten Frauen, die im Ausland leben, zum Wahltag freie Flüge ins Heimatland an. „Wir wollen sicherstellen, dass so viele Frauen wie möglich an diesen historischen Wahlen teilnehmen“, lässt der Vorsitzende der Fluggesellschaft, Marwan Boodai, verlauten. Er ist gar nicht mehr zu bremsen. Das Angebot gelte auch für Frauen anderer Nationalitäten, wenn sie Wahlen beobachten wollen, ergänzt er.

Turnusgemäß hätten die Parlamentswahlen nächstes Jahr stattfinden sollen, aber der Emir von Kuwait, Scheich Sabah al-Ahmad al-Sabah, hatte die Volkskammer letzten Monat nach einer heftigen Debatte über das Wahlrecht vorzeitig auflösen lassen und die Wahlen vorgezogen. Im Kern ging es dabei um die Aufteilung und Anzahl der Wahlbezirke. Nach Meinung der Reformer des Landes vereinfacht die jetzige Struktur Wahlbetrug und Stimmenkauf.

Am Ende verschaffte die Auseinandersetzung um die Wahlbezirke den Frauen unverhofft früher ihre Rechte als erwartet. Ein Tabu haben sie im kurzen Wahlkampf bereits gebrochen. Erstmals nahmen Frauen an einer traditionellen Männerdomäne des Landes teil. Um ihre Wahlprogramme auch einem männlichen Publikum vorzustellen zu können, wurden sie in die Diwaniyas eingeladen. Bei diesen nachmittäglichen Zusammenkünften in den Männergemächern der Privathäuser wird die eigentliche kuwaitische Politik gemacht. Oft werden sie als informelle Miniparlamente bezeichnet. „Die Reaktion auf unsere Diwaniya-Besuche war großartig. Wir haben eine psychologische Barriere durchbrochen“, sagt Rola Duschti, eine der Kandidatinnen.

Die Kandidatinnen konzentrieren sich in ihren Vorträgen auf Frauenrechte „Nur neun Prozent der Schlüsselpositionen im Staatsdienst sind von Frauen besetzt, da besteht enormer Nachholbedarf“, sagt die Kandidatin Nabila An-Andschari. Auch die Verbesserung der Rechte von kuwaitischen Frauen, die Ausländer geheiratet haben, steht ganz oben auf der Diskussionsliste. „Das wird sich alles ändern, wenn wir erst einmal im Parlament sitzen“, sagt An-Andschari voraus. Viele der ehemaligen männlichen Parlamentsabgeordneten hätten sich da als unfähig erwiesen, fügt sie hinzu.

Überhaupt steht die Frage im Raum, wie süß die Rache der kuwaitischen Frauen sein wird. Bei der Abstimmung über das Frauenwahlrecht hatten immerhin 23 der 50 abgeordneten Herren den Frauen ihre politischen Rechte verwehren wollen. Einer konnte sich damals nicht entscheiden. Fast alle Verweigerer kandidieren auch diesmal und betteln um die Stimmen der Frauen. „So jemanden würde ich niemals meine Stimme geben, weil ich weiß, dass er nicht an unsere Rechte glaubt“, meint die Pädagogikprofessorin Samira al-Gharaballi dazu. „Vielleicht hätte ich sie noch respektiert, wenn sie zu ihren verdrehten Prinzipien gestanden hätten, aber einfach so über Nacht das Fähnchen zu wenden?“, fragt sie süffisant.

Für die Anwältin Salma al-Ajmy geht der Kampf um die Frauenrechte jetzt erst richtig los. „Das kuwaitische Familienrecht ist ein Albtraum für Frauen und muss sofort angegangen werden“, fordert sie. Geschiedenen Frauen müsse staatliche Unterstützung gewährt, das Sorgerecht müsse in ihrem Sinne verändert und die Polygamie müsse diskutiert werden, klagt sie auf einer Wahlveranstaltung ein.

Am Wahltag selbst stellt die verdoppelte Wählerschaft die Organisatoren vor neue Aufgaben. Um keine Überraschungen aufkommen zu lassen, hat der Wahlleiter Ali Murad vor wenigen Tagen noch einmal öffentlich die Regeln verkündet. Um die Identität festzustellen, haben die selbstverständlich weiblichen Wahlhelfer das Recht, die Wählerinnen aufzufordern, kurz ihren Schleier zu lüften.