Fähnchen im Wind

Die CDU-Fraktion will mit Deutschland-Fähnchen Patriotismus demonstrieren – und erntet Häme

Der CDU geht es miserabel. Die Umfragewerte sind im Keller, ihr Spitzenkandidat wird immer unbeliebter, je bekannter er ist. Gegen den dauerlächelnden Amtsinhaber, das haben die Christdemokraten eingesehen, kommt man mit politischen Inhalten nicht an. Drei Monate vor der Abgeordnetenhauswahl nutzt Klaus Wowereit die WM-Fanmeile als Wahlkampfbühne. In diesem Dilemma ist Unions-Generalsekretär Frank Henkel offenbar ein Gedanke gekommen: Auch wir können unser Fähnchen in den Wind halten.

Als die CDU-Abgeordneten gestern zu ihren Plätzen im Parlamentsplenum gingen, standen auf den 35 Tischen kleine schwarz-rot-goldene Papierfähnchen, eingepflanzt in winzige Blumentöpfchen, die in den 80er-Jahren den Neid der Alternativen Liste erzeugt hätten. Doch wollte die Union laut einem Sprecher ein „Bekenntnis“ zur deutschen Nationalmannschaft vor dem heutigen WM-Viertelfinalspiel ablegen und zeigen, dass sie „gute Patrioten“ seien. Demokratie-Liebe offenbart sich bekanntlich am besten im kollektiven Präsentieren kleiner Winkelemente.

Das kam nicht gut an. „Sie machen mit Ihren Fähnchen hier Kindergarten“, rief ihnen der für einen Moment nicht lächelnde Wowereit zu. Hätte die CDU die Fahnen der 32 WM-Teilnehmerstaaten aufgestellt, ätzte der Amtsinhaber, wäre das zumindest ein Zeichen internationaler Verständigung gewesen. Selbst FDP-Fraktionschef Martin Lindner polterte in Richtung des potenziellen Koalitionspartners: „Politik ist mehr, als Fähnchen und Lutscher zu verteilen.“

Ein Unions-Mann reagierte: Ex-Finanzsenator Peter Kurth. Der als liberal geltende Abgeordnete stellte sein Fähnchen still beiseite – als einziger. Kurth wird nach der Wahl nicht in die CDU-Fraktion zurückkehren. Er wird sie nicht vermissen.

MATTHIAS LOHRE