Welthandelstreffen wurde abgebrochen

Bei den Themen Zölle und Subventionen liegen die Positionen von EU, USA und Entwicklungsländern weit auseinander. Handelsminister reisten vorzeitig aus Genf ab. WTO-Chef spricht von Krise. Neuer Rettungsversuch soll Ende Juli starten

von NICOLA LIEBERT

Abbruch ohne Ergebnis: Rund 50 Minister beendeten am Samstag vorzeitig ihre Gespräche am Sitz der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf. „Man muss gar nicht erst so tun, als sei dies kein Misserfolg gewesen“, sagte der indische Handelsminister Kamal Nath der Times of India. Es hätte „keinen Raum für Verhandlungen“ gegeben, weil die Grundpositionen schlicht nicht miteinander vereinbar gewesen seien.

Drei Tage lang hatten sich die Minister bemüht, die Verhandlungen über eine Liberalisierung des Welthandels zu retten, die schon seit 2001 laufen. Ein erneuter Versuch soll möglicherweise Ende Juli gestartet werden. Aber einige Delegierte äußerten Zweifel, ob sich die weitere Reise nach Genf überhaupt lohnen würde.

Die Minister der größeren Handelsnationen hatten hinter verschlossenen Türen versucht, wenigstens einen Teilerfolg zu erzielen. Sie schlugen eine Grundsatzeinigung vor; erst in einem zweiten Schritt würde dann der genaue Umfang von Zollsenkungen und Subventionsabbau bestimmt. Allerdings würde die Zeit knapp: In Einzelverhandlungen müssten für jedes Land hunderte Seiten lange, genaue Umsetzungspläne erstellt werden. Auch Übergangsfristen sowie Ausnahmen für bestimmte Agrarprodukte wären konkret festzulegen – beispielsweise für indonesischen Reis oder äthiopische Hirse, die für die Ernährung der armen Bevölkerung besonders wichtig sind.

All diese Details müssten jedoch bis Ende des Jahres geklärt sein, weil im kommenden Jahr der US-Präsident sein Verhandlungsmandat verliert, das ihm der Kongress befristet erteilt hat.

Am Freitag hatte WTO-Chef Pascal Lamy in undiplomatischer Offenheit den Ministern „offensichtliche Unfähigkeit zu echten Verhandlungen“ vorgeworfen. Am Samstag sprach er gar von einer „Krise“. Die USA rühren sich nicht, bevor nicht Europa seine Agrarsubventionen abbaut. Die EU fordert ihrerseits Zugeständnisse von den USA; außerdem müssten die Schwellenländer ihre Märkte für Industriegüter und Dienstleistungen aus dem Norden öffnen. Dazu sind die Entwicklungsländer, geführt von Indien und Brasilien, jedoch nur bereit, wenn die Industrieländer nicht allein ihre Zölle, sondern auch die Agrarsubventionen für ihre Bauern massiv senken.

Lamy beklagte wortreich, dass ein Scheitern der Handelsrunde insbesondere die Entwicklungsländer treffen würde. Ein WTO-Abkommen würde beispielsweise westafrikanische Baumwollbauern vor der erdrückenden Konkurrenz der hoch subventionierten US-Baumwolle schützen, ebenso würden westafrikanische Viehzüchter nicht mehr durch europäische Trockenmilchexporte bedroht. Susanne Luithlen von der Kampagne „Gerechtigkeit jetzt“ sieht das ganz anders: Die Verhandlungen seien „fehlkonzipiert“, bei einem Scheitern würden die Entwicklungsländer nicht verlieren. Alle heute reichen Länder hätten ihre Industrien zunächst durch hohe Zölle geschützt. „Wenn man das den Entwicklungsländern verwehrt, verwehrt man ihnen faktisch das Recht auf industrielle Entwicklung.“

Diese Haltung nehmen auch die Entwicklungsländer ein, die sich auf der Konferenz nicht spalten ließen. In einer gemeinsamen Stellungnahme konstatierten 110 Regierungen, dass die Agrar- und Exportbeihilfen im Norden „das Leben von Millionen von armen Bauern“ bedrohen. Sie forderten, dass sich die WTO-Verhandlungen endlich wieder „mit den Entwicklungserfordernissen und den Problemen der Entwicklungsländer befassen“. Jeglicher Versuch, dies zur Disposition zu stellen, „wäre nicht hinnehmbar“.