Die Industrieanlage als Kunstobjekt

Die SK Stiftung Kultur zeigt im Kölner Medienpark Bernd und Hilla Becher. Nach vier Jahren Auswertung durch die Künstler werden nun 210 Fotos der Zeche Concordia in Oberhausen präsentiert – vor deren Abriss. So kann überprüft werden, ob auch Industrieanlagen in den Himmel kommen können

VON PETER ORTMANN

Können Industrieanlagen träumen? Wenn ja, dann hätten sie auch eine Seele. Dass viele der ehemaligen Werktätigen im Ruhrgebiet noch heute von dunklen Kohlegruben träumen, von stinkender Säure oder den Kollegen, die ihr Leben für den Kapitalismus ließen, ist bekannt. Bis heute glorifizieren sie die Ausbeutung an ihren zum Teil brutal gefährlichen Arbeitsplätzen. Aber waren die auch schön?

Ausgerechnet mitten in hochmodernen Kölner Medienpark wird ein Beweis dafür angetreten. In der Photographischen Sammlung der Kulturstiftung der Stadtsparkasse zeigen Bernd und Hilla Becher, die heute in Düsseldorf leben, 210 schwarz-weiße Aufnahmen der ehemaligen Zeche Concordia in Oberhausen, die zwischen 1967 und 1970 entstanden sind. Erst in den letzten Jahren haben die Pioniere der Konzept-Art in der Fotografie das über 400 Aufnahmen bestehende Material komplett ausgewertet. Parallel dazu werden in einem eigenen Raum erstmals die Werkgruppe der Fachwerkhäuser des Siegener Industriegebietes präsentiert, die das Ehepaar Bernd und Hilla Becher über einen Zeitraum von fast 20 Jahren erarbeitet haben. In der Ausstellung werden die Fachwerkhäuser in Typologien präsentiert. So können ihre Formen direkt formal verglichen werden.

Anfang der 1960er Jahre begannen die beiden, ihre Fotografien zu systematisieren. Bernd Becher studierte von 1953 bis 1956 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Malerei und 1959 bis 1961 an der Düsseldorfer Kunstakademie Typographie. Hilla Becher absolvierte in Potsdam eine Ausbildung als Fotografin. Seitdem haben sie rund 200 Industrieanlagen dokumentiert und veränderten bereits das Verhältnis der Menschen zu Industriebauten, als diese noch nicht als Denkmäler der Industriekultur verstanden wurden. So halfen sie auch bei der Rettung der Zeche Zollern II in Dortmund vor dem Abriss. Ihre fotodokumentarische Arbeit wurde früh gewürdigt, auch wegen des Momentums der vergleichenden Typografie, das es bis dato noch nicht gegeben hatte. Bereits 1968 stellten sie in der University of Southern California, Los Angeles, 1975 dann im Museum of Modern Art, New York aus. Sie waren auf den documentas 5, 6, 7 und 11 in Kassel vertreten. Bernd Becher übernahm von 1976 bis 1996 an der Kunstakademie Düsseldorf eine Professur für Fotografie. Aus seiner Klasse kamen internationale Kunstmarkt-Stars wie Candida Höfer oder Andreas Gursky.

Wer heute in den schönen, hellen Räumen der SK Stiftung Kultur durch die Fotos der Zeche Concordia streift, kann das Wesen ihrer unnatürlichen Schönheit, jenseits des Produktionsprozesses, spüren. Kein Blick auf die Förder- und Kühltürme oder die Gasbehälter ist gleich, auch wenn der erste Eindruck dies suggeriert hat. Jedes Bild von der 13x18 cm Plattenkamera verbirgt hunderte ultrascharfer Details, die alle längst in den Industie-Anlagen-Himmel aufgefahren sind.

Bis 3. September 2006SK Stiftung Kultur/ Medienpark, KölnInfos: 0221-2265900