Stundenweise Strom

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Dr. Ali Mussa lässt im Krankenhaus von Rafah rund 16 Stunden täglich die Generatoren laufen. Er ist Direktor des Krankenhauses in der Grenzstadt. Seit die israelische Luftwaffe am vergangenen Dienstag das einzige palästinensische Kraftwerk in Gaza bombardierte, gibt es nur noch stundenweise Strom.

Mussa hat Sorge, dass die nicht mehr ganz neuwertigen Generatoren infolge der andauernden Last aussetzen werden. „Die Temperatur der Geräte steigt stündlich“, sagt er. Ein Ausfall der Generatoren könnte für Nierenpatienten und in den OPs lebensgefährliche Folgen haben.

Am Mittwoch hatte die israelische Armee eine Bodenoffensive in den Gaza-Streifen begonnen. Israelische Kampfflugzeuge hatten das palästinensische Gebiet angegriffen, um die Bevölkerung für die Freigabe eines entführten israelischen Soldaten umzustimmen. Die Geiselnehmer fordern einen Tausch des 19-jährigen Gefreiten gegen 500 palästinensische Häftlinge.

Das bei den Luftangriffen zerstörte Kraftwerk wieder aufzubauen wird Monate in Anspruch nehmen. Ein Wiederaufbau würde Schätzungen zufolge knapp 50 Millionen Euro kosten. Vorläufig bleiben rund 700.000 Menschen unmittelbar von dem Strommangel betroffen.

Die drückend-feuchte Hitze lässt Nahrungsmittel innerhalb weniger Stunden verderben, wenn der Motor im Kühlschrank aussetzt. Auch aus Israel wird noch Strom geliefert, der reicht aber nur für sechs bis acht Stunden täglich. Damit ist immerhin die Wasserversorgung gewährleistet. Ein großer Teil der Bevölkerung, vor allem im südlichen Gaza-Streifen, bezieht das Wasser aus rund einhundert Brunnen, aus denen mittels elektrischer Pumpen das lebenswichtige Nass gewonnen wird. Einige Stunden Strom täglich reichen im Allgemeinen, um genügend Wasser abzupumpen.

Unmittelbar nach der Bombardierung des Kraftwerks in Gaza behalf sich die Bevölkerung mit Generatoren. Die aber brauchen Treibstoff, der ebenfalls knapp zu werden drohte. Immerhin öffnete Israel am Sonntag den Grenzübergang Karni, über den Waren transportiert werden, für mehrere Stunden, sodass auch Treibstoff geliefert werden konnte. Der Übergang Karni ist die einzige Verbindung zur Außenwelt, seit in der vergangenen Woche die Grenze nach Ägypten von israelischen Soldaten unter Beschlag genommen wurde. So scheint die Wasserversorgung erst einmal gesichert: Christer Nordau, Sprecher der UN im Gaza-Streifen, hält es für möglich, dass Wasser „wenn überhaupt“ allenfalls in isolierten Regionen knapp werden könnte. Und: „Unsere Wassertankfahrzeuge stehen bereit“, sagt Nordau. „Wir sind bislang noch nicht gerufen worden.“

So konnte die große humanitäre Krise, vor der UN-Mitarbeiter Ende vergangener Woche gewarnt hatten, mit der temporären Öffnung des Karni-Übergangs erst einmal aufgefangen werden. „Die Situation ist nun mehr oder weniger wieder ähnlich schwierig wie schon in den letzten Monaten“, meint Christer Nordau.

Aber ein Problem bleibt: Seit vergangenen März bleiben für den Großteil der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst die Gehälter aus. Rund ein Viertel der Bevölkerung hat seither keine regelmäßigen Einkünfte mehr. Die UN vergrößerte deshalb die Zahl der verteilten Nahrungsmittelpakete an die besonders Bedürftigen.

Ein Unsicherheitsfaktor ist, wann und für wie lange die israelische Armee die Grenzübergänge öffnen wird, damit Waren in den Gaza-Streifen geliefert werden können. Und Sorge bereitet den UN-Vertretern in Gaza weiter die wiederholt angekündigte Großinvasion der israelischen Armee. „Das würde eine riesige Zahl von Obdachlosen mit sich bringen“, befürchtet Nordau.