der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR
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… will, ja muss bei jedem Trend dabei sein. Das ist er seinem Image schuldig. Deshalb darf er sich auch nicht das derzeitige Revival nationaler Gefühle entgehen lassen. Schon zu Jahresbeginn griffen die Berliner Organisatoren des Christopher Street Day in die Vollen und erkoren „Einigkeit und Recht und Freiheit“ zum diesjährigen Paradenmotto. Angesichts des meuternden Fußvolks wurde die Losung abgeschwächt, jetzt wird Mitte Juli unter der Parole „Verschiedenheit und Recht und Freiheit“ paradiert.

Kein Zurückweichen vor den linken Spaßverderbern propagiert dagegen das Schwulenmagazin Männer Aktuell in seiner Juli-Ausgabe. Trotzig bestehen die Macher auf „Einigkeit und Recht und Freiheit“ als Leitmotiv für das ganze Heft: „Wir haben nicht nachgegeben und beschlossen, uns unseren Nationalstolz nicht nehmen zu lassen – wir bleiben frech, wie wir sind beim klassischen Motto unserer Nationalhymne.“ Dazu prangen auf dem Titel drei „Helden wie wir“, Darsteller einer US-Fernsehserie, gekleidet in den aktuellen Modefarben schwarz-rot-gold.

Motor der schwulen Patriotismus-Offensive ist der Chefredakteur des Blattes, Thilo Keller, genauso eitel und genauso bar jeder Intelligenz wie sein Vorbild in der Sache, der Kulturchef des Spiegel Matthias Matussek. Gleich im Editorial posiert Keller mit breitem Grinsen vor dem Denkmal für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus am Berliner Nollendorfplatz. Als reichte das nicht aus, seine Leser mit seinem kruden Geschichtsverständnis zu verwirren, schreibt Keller nebenan weiter: „Müssen all diejenigen, die nach 1928 geboren sind, auch heute noch für die Fehler ihrer Eltern geradestehen? Sie können nichts, aber auch gar nichts dafür, dass ihre Vorfahren ein Regime geduldet oder unterstützt haben, das die Menschenrechte missachtete.“ Aber Jahrgang 1928 und folgende haben sich dennoch schuldig gemacht: „Sie können etwas dafür, dass bis 1969 Schwulsein noch mit Zuchthaus bestraft wurde.“

Im Heft selbst wird unter dem Stichwort „Einigkeit“ eine Initiative für ein neues Forschungszentrum für Sexualwissenschaft vorgestellt, ein Zentrum, das „Nationalgeschichte mitgestalten“ will, und zwar – jetzt kommt sie wieder, des Schwulen liebste Phrase – „aus der Mitte der Gesellschaft“. Und unter dem Stichwort „Freiheit“ sehen wir eine Gruppe nackter Männer, die sich – „so unverklemmt können nur Deutsche sein!“ – auf der Kölner Domplatte aalt. Unter dem gleichen „Freiheit“(!)-Motto lässt sich anschließend auf gleich zwei Seiten der Männer-Aktuell-Verleger feiern, der seit nunmehr 25 Jahren von Deutschland aus „weltweit“ erfolgreich ist im schwulen Sex- und Porno-Geschäft. Schließlich sehen wir den Chefredakteur noch einmal in ähnlich koketter Pose wie vorne im Heft auf der Motorhaube eines VW Golf R32, nach der Probefahrt im deutschen Auto.

Das ist deutsch, das ist aufrecht, das atmet Zeitgeist – und doch hat Keller offensichtlich etwas falsch gemacht. Oder er hat seine Mission erfüllt. Kaum ist das Magazin in Schwarz-Rot-Gold auf dem Markt, taucht in der Berliner Morgenpost eine Stellenanzeige auf: „Männer Aktuell sucht einen Chefredakteur.“