Ghetto ohne dicke Hose

Als Sohn koreanischer und deutscher Eltern wurde Martin Jondo oft als Außenseiter behandelt. Auf seinem Album „Echo & Smoke“ liegt die musikalische Heimat ganz im Reggae – auch weil er ihn vor harten Drogen bewahrt hat

Auf der Suche nach einer Kultur und einem Halt begegnete dem jugendlichen Martin Jondo die Reggaemusik, und es machte sofort Klick. „Vom Reggae, von der schwarzen Kultur“ sei er damals „extrem aufgenommen worden“, erzählt der heute 27-jährige Musiker. Überhaupt erzählt er viel und gern. Und obwohl er sich selbst als einen traurigen Menschen bezeichnet, macht er im Gespräch einen freundlichen und sehr entspannten Eindruck.

Seine Mutter stammt aus Südkorea, der Vater ist Deutscher. Der „Asiatenjunge“, wie er sich selbst nennt, sei ein Außenseiter in seiner Reinickendorfer Schule gewesen, habe kaum Ausländer, vor allem keine anderen Asiaten gekannt – aber dann kam der Reggae: „Ich habe mich wirklich geliebt und als Mensch akzeptiert gefühlt, die ganze Diskriminierung war wie weggeblasen.“

Der Reggae rettete ihn auch, als Freunde ihm harte Drogen anboten: „Ich dachte mir: Okay, ich habe nichts zu verlieren, das Leben ist relativ scheiße, keine Perspektive, also warum nicht! Dann haben wir den Riddim ‚Under mi Sleng Teng‘ von Wayne Smith gehört, und da singt der Typ, dass er kein Kokain nimmt, weil es sein Gehirn kaputtmacht, und keine Zigaretten raucht, weil es seinen Hals kaputtmacht. Das war für mich total einleuchtend, und mir war in einer Sekunde klar: Bei harten Drogen machst du nicht mit. Dieses Lied war für mich mein persönliches Rettungsboot.“

Statt Drogen schnappte sich Martin Jondo dann eine Gitarre – jahrelang saß er in Parks oder sonst wo im Grünen und schrieb Lieder. Auch „Rainbow Warrior“, den Titelsong seiner letztjährigen EP. Zuvor hatte er bereits als Gast für Gentleman auf dessen „Rainy Days“ gesungen.

Auf seinem jetzt erschienenen Debütalbum „Echo & Smoke“ entfernt sich Jondo vom Roots-Reggae manchmal in rockige, häufiger soulige Gefilde. Mit hoher, schmeichelnder Stimme intoniert er Liebesballaden genauso gefühlvoll wie sozialkritische Roots-Tunes. Unter der Regie des Produzenten Kraans de Lutin entstand im Studio ein satter Bandsound – was auch an der Beteiligung echter Musiker lag. Aufs Handgemachte legt Jondo viel Wert. In dem Ohrwurm „Jah Gringo“ setzt sich der auf Englisch – nicht Patois – dichtende Songwriter mit dem ähnlichen Hintergrund der Religionen auseinander: „Worum es mir geht im Leben und im Glauben, ist, dass man ein reines Herz hat und demütig ist. Das versuche ich in dem Lied auszudrücken.“

Mit „Caught in the Ghetto“ verirrt sich Jondo dann nicht etwa in dickhosige Brennpunktmimikry, sondern fasst den Begriff „Ghetto“ weiter – als eingeschränkte Denkmuster und falsche Ideologien, aus denen Menschen sich befreien sollten. „Ich will schon irgendwie wachrütteln“, sagt er ernsthaft. Darum geht es dem Physikstudenten auch in „Children“: Fassungslos schüttelt Jondo darin den Kopf darüber, dass Kinder irgendwann die heutige Atompolitik einer, noch mal Kopfschütteln, Physikerin ausbaden müssten.

Da ist es für einen wie Jondo unumgänglich, lange an seinen Texten zu feilen: „Jedes Wort ist wertvoll“, sagt er mit Inbrunst. Und: „Ich mache Reggaemusik – wir sagen nichts, was wir nicht zu sagen hätten.“ IRENE HUMMEL

Martin Jondo: „Echo & Smoke“ (Homeground Records/Styleheads)