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: Nationale Gröler mit Hool-Attitüde

Alle gucken Fußball. Wir auch. Bis zum Ende der WM berichtet die taz täglich live von den Berliner Spielplätzen. Heute: Deutschland–Italien im Treptower Park.

Internationale Festivalstimmung beim „Popkick“ im Treptower Park. Die Sonne bescheint Pizza-Stände und deutsche Grünkohl-Küchen, auf der Bühne verbreitet eine Band aus Amsterdam brasilianisches Samba-Flair. Hunderte Fans, Pärchen, Cliquen und Familien lagern barfuß auf Decken im Park. Man trägt T-Shirts mit der Aufschrift „Weltmeister 06“, „Schland“ und Schwarz-Rot-Gold in allen Variationen, vereinzelt sind auch Italientrikots zu sehen. Die Stimmung ist sommerlich friedlich.

Bis zum Anpfiff. Sobald Klinsmanns Elf einläuft, fühlt sich eine Handvoll grölender Jungmänner in Deutschland-Trikots zuständig, für Stadionstimmung zu sorgen: Buh- und Pfui-Rufe für die Italiener, „Deutschland, Deutschland“-Rufe für die „Unseren“. Als ein dunkelhäutiger Mann mit Vollbart nach einem Platz sucht, schreien sie: „Osama, setz dich hin!“

Das Mitsingen der deutschen Nationalhymne überlässt das Prollgrüppchen lieber den Studenten und jungen Familien. Die stehen zum Teil auch wirklich auf und legen die Hand aufs Herz. Merkwürdig genug, doch sobald das Spiel beginnt, übernimmt wieder die Fanfraktion – und kennt jetzt verbal kein Halten mehr. Von „Scheiß Spaghettischweine“ bis „Wir verbacken euch zu Pizza“ reicht die Palette der Zwischenrufe, die den Fußballkommentar vollständig übertönen und Zuschauern mit Sportsgeist die Stimmung vermiesen. Ein paar junge Mädchen in Sommerkleidern überlegen schon, die Entfesselten zur Räson zu rufen. Doch als sie sehen, wie einer der Jungs jemanden, der ihm im Bild steht, einfach zur Seite haut, lassen sie die Idee wieder fallen. „Gut, dass wir nicht im Stadion sind“, sagt eine zu ihren Freundinnen, „da sind wahrscheinlich nur solche Leute.“

Je weiter und ergebnisloser das Spiel fortschreitet, desto lauter und zahlreicher werden die nationalen Gröler in der Menge: Inzwischen hat sich auch auf der linken Wiesenseite eine Fraktion aus ganzkörperbeflaggten Jungs und Mädchen gebildet, deren Sprachschatz ausschließlich aus dem Wort „Deutschland“ zu bestehen scheint. Jeder Fall eines Italieners, ob Schwalbe oder echt, wird höhnisch mit „aua“ oder „steh auf, du Arschloch“ kommentiert. Kurz vor Ende der zweiten Halbzeit fordert ein Chor von links und rechts: „Steht auf, wenn ihr Deutsche seid!“

Italiener will man spätestens da nicht mehr sein, erst recht nicht nach den beiden Toren, nach denen sich eine gespenstische Stille über den Treptower Park senkt. „Vielleicht ist es ganz gut, dass sie nicht gewonnen haben“, sagt ein junger Mann ganz leise zu seiner Freundin. „Jetzt ist wenigstens Ruhe.“

Die Schlachtrufe und Fangesänge sind verstummt, still geht die Menge auseinander. Nur der rotgesichtige Typ mit der blonden Schweinsteiger-Frisur, der als Erster zu singen anfing, hat noch nicht aufgegeben. „Ist hier irgendwo ein Italiener?“, brüllt er und schwingt die Faust. „Dann komm her!“ Keiner beachtet ihn, also rollt auch er seine Flagge ein und geht nach Hause. Das „Popkick“ im Treptower Park eignet sich eben doch nicht zur Hool-Fankurve. Nina Apin

Popkick im Treptower Park, alle Spiele auf Großbildleinwand. Eintritt 3 Euro