Jetzt neu bei Lidl: Greenpeace

Magazin der Umweltschutzorganisation im Angebot des Discounters – als zweites Blatt nach der „Bild“-Zeitung. Lidl hofft auf Imagegewinn. Ärger mit Pressegrosso

BERLIN taz ■ Überraschende Auswahl bei Lidl: Neben der schon länger angebotenen Bild-Zeitung kann König Billigkunde nun auch zum greenpeace magazin greifen. In einem bis zum Ende des Jahres angelegten Testlauf sollen im zweimonatigen Erscheinungsrhythmus jeweils 150.000 Exemplare des Hochglanz-Ökomagazins in den bundesweit 2.700 Lidl-Filialen verkauft werden.

„Warum sollen wir der Bild-Zeitung das Feld überlassen?“, sagt greenpeace magazin-Chefredakteur Jochen Schildt. Doch die Kooperation zwischen dem Discounter und dem Heft der Umweltschutzorganisation kommt durchaus überraschend. Noch im Dezember vergangenen Jahres demonstrierten Greenpeace-Aktivisten vor der Konzernzentrale der europaweit expandierenden Handelskette. Damals überreichten die Umweltschützer den Lidl-Managern einen Pokal für „Maximale Pestizidbelastung 2005“.

Seither ist Lidl sehr darum bemüht, das angeschlagene Image wieder aufzupolieren. Erst kürzlich nahm der Discounter mit dem blaugelben Logo mehrere Bioprodukte sowie fair gehandelten Kaffee in sein Sortiment auf. Lidl-Pressesprecher Thomas Oberle freut sich daher heftig über den vermeintlichen Schulterschluss, der ihn selbst überrascht hat: „Man muss dazu sagen, dass Greenpeace auf uns zugekommen ist.“ Eine mögliche Erklärung für das Geschäftsgebahren des Ökomagazins findet, wer auf die längerfristigen Entwicklungen auf dem deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt blickt.

Weil immer mehr Konsumenten in Billigsupermärkten einkaufen, ist ein Kampf um die Erschließung der Presseregale beim Discounter entbrannt. Doch die zeigten bis vor kurzem wenig Interesse, Zeitungen und Zeitschriften in ihr Sortiment aufzunehmen. Hauptgrund dafür sind die Grundsätze des deutschen Pressevertriebs. Eine wichtige Funktion übernehmen dabei die 77 so genannten Pressegrossisten. Als Großhändler sorgen sie dafür, dass weder einzelne Verlage noch Einzelhändler bei der Verteilung von Zeitung und Zeitschriften bevorzugt werden und die gesetzliche Preisbindung – eine Zeitung kostet überall in Deutschland dasselbe – eingehalten wird.

Doch das passte bisher nicht zur Strategie der Discounterketten, und die Regale blieben leer. Erst nach intensivem Gerangel will Lidl nun ab Mitte des Jahres 70 verschiedene Zeitungs- und Zeitschriftentitel anbieten. Das greenpeace magazin steht allerdings nicht auf dieser Liste. Schuld ist offiziell der hohe Einzelpreis – 4,90 Euro – des Hefts.

Mit dem jetzt laufenden Testverkauf wurde das Grosso überrumpelt: „Wir sind überrascht. Dieser Deal ging an uns vorbei und verletzt die gemeinsamen Regeln“, heißt es aus Kreisen des Bundesverbands der Pressegrossisten.

Mit einem exklusiven Belieferungsvertrag zwischen Greenpeace und dem Lidl-Konzern, wurden die Grossisten einfach umgangen. Dabei hatten sich die Verbände der Zeitungen und Zeitschriften sowie des Pressegrossos schon im August 2004 auf gemeinsame Regeln bei der Erschließung der Billigsupermärkte geeinigt. Exklusive Belieferungsvereinbarungen werden dort ausdrücklich als „schädlich für das gesamte Pressevertriebssystem“ gegeißelt.

Ob der Lid-Deal für Greenpeace ein lohnendes Geschäft wird, gilt jedoch nicht nur in Kreisen der Grossisten als fraglich. „Wir schauen mal wie das läuft, aber wir machen das ja auch nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen“, sagt auch Lidl-Sprecher Oberle.

Praktisch für die Discounterkette: Auch das branchenübliche Remissionsrecht, nach dem die unverkauften Presseprodukte anstandslos von den Verlagen zurückgenommen werden müssen, ist ausgehebelt. Lidl muss nicht wie der normale Zeitungskiosk kompliziert abrechnen und Magazine zurückschicken. Die Reste sollen jetzt vielmehr an die Mitarbeiter verteilt werden. VOLKER HOLLMICHEL

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