Das Größte, das Beste –Wahnsinn

Deutschland feiert den Weltmeister der Herzen auf der Berliner Fanmeile. Selbst beim Weltmeistertitel hätte die Party nicht ausgelassener sein können. Die Fans sind stolz auf ihr Team – und sogar auf ihr Land

AUS BERLIN BASTIAN HENRICHS

Schon Stunden bevor die deutsche Nationalmannschaft das Brandenburger Tor erreichen sollte, drängten sich mit Trikots, Fahnen und Mützen bekleidete Menschen in Richtung Tiergarten und verstopften die Eingänge zur Fanmeile. Sie alle verspürten das Bedürfnis, ihren „Weltmeistern der Herzen“ Danke zu sagen.

Jürgen Klinsmann wurde am meisten gefeiert, immer wieder skandierten hunderttausende seinen Namen. Er ist das Symbol für eine Begeisterung, die es so in Deutschland noch nicht gegeben hat. Das war nicht immer so, doch Klinsmann legte zusammen mit seinem Team den Grundstein zu einer deutschlandweiten WM-Party, die gestern mit gegenseitigen Dankesbekundungen endete.

Dabei brauchte es gar nicht allzu viel, um das kurzfristig geplante Abschiedsfest zu einer riesigen Party werden zu lassen. Zuallererst eine sympathische, eifrige und schließlich erfolgreiche Mannschaft. Ein paar herzzerreißende Geschichten, angefangen vom Kampf der Torhüter, der in einer Umarmung vor dem Elfmeterschießen sein erfreuliches Ende fand, über einen Urknall, wie das Tor zum 1:0 gegen Polen, bis zum tragisch-traurigen Ausscheiden zwei Minuten vor Ende der Verlängerung gegen Italien. Und schließlich braucht es eben einen Trainer wie Jürgen Klinsmann, der nicht nur den DFB aufrüttelte, sondern gleich ganz Deutschland in seinen Bann zog. Wenn dann noch zwei, drei Lieder geschrieben werden, die die ganze Nation auswendig lernen und dann mitgrölen kann, ist der Euphoriekuchen gebacken.

Nur so ist zu erklären, dass gestern ungefähr so viele Menschen den Tiergarten bevölkerten, um ihren Idolen Ade zu sagen, wie Frankfurt Einwohner hat. Und dass diese Menschen Superlative von sich geben, wie: „Das ist das Beste, das Größte, einfach der Wahnsinn“, oder stakkatoartig die Schlagzeilen der großen Boulevardzeitungen wiederholen.

Grob überschlagen kam gestern eine Deutschlandfahne auf drei Personen; die Deutschen sind stolz auf ihr Team – und sogar auf ihr Land. „Ich denke, wir sind tolle Gastgeber gewesen. Da hat die Mannschaft ihren Anteil dran, aber vor allem auch die Fans“, erklärt eine der wenigen nicht verkleideten Damen. Die Enttäuschung über das Ausscheiden im Halbfinale ist „weggeblasen“, sagt ein älterer Herr und pustet symbolkräftig in seine Tröte. Ein anderer gibt zu, dass er die Mannschaft lieber erst heute Abend gesehen hätte, aber der Stolz überwiege eindeutig. Eigentlich scheint es egal zu sein, ob Dritter oder Erster: Die Abschlussparty hätte wohl auch mit einer Trophäe im Gepäck kaum stimmungsvoller verlaufen können.