SPD integriert vor dem Gipfel alle Positionen

Chancen und Regeln für Migranten: Die SPD will bei dem Thema auch mitreden, aber Streit mit der CDU vermeiden

BERLIN taz ■ In den Alpen gibt es einen schönen Ausdruck, der den Antrieb zum Wandern und Klettern umschreibt: Der Berg ruft. Auch in Berlin scheint das Reizwort „Gipfel“ zu genügen, um alle Parteien in Betriebsamkeit zu versetzen. So hat nach den Grünen gestern auch die SPD deutlich gemacht, dass sie die Migrationspolitik nicht allein der zuständigen Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) überlassen will, die am Freitag zum Integrationsgipfel ins Kanzleramt ruft.

„Da muss Inhalt rein“, sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil über die Veranstaltung im Hause Merkel und präsentierte sogleich ein Papier mit eigenen „Leitlinien“ zum Thema, das vom Parteipräsidium in einer Telefonschaltkonferenz beschlossen wurde. Wer nun substanziell Neues erwartet hatte, sieht sich jedoch enttäuscht. Getreu dem Regierungsmotto „Fördern und Fordern“, das vom Arbeitsmarkt bis zur Zuwanderung für fast alle Politikbereiche gilt, erklärt die SPD, dass es für Migranten „faire Chancen“, aber auch „klare Regeln“ geben müsse. Der Duktus unterscheidet sich kaum von den Verlautbarungen Böhmers.

Ebenso wie die CDU-Politikerin betont die SPD, es sei „geboten, an die vielen guten Beispiele für Integration zu erinnern“. Auf der anderen Seite gebe es natürlich auch Probleme. Deshalb sei es richtig, Ausländer mit Sanktionen zu belegen, die sich weigern, an Integrationskursen teilzunehmen, findet die SPD: „Das Erlernen unserer Sprache fordern wir konsequent von allen ein.“ Wer dazu nicht bereit sei, müsse mit Folgen für sein Aufenthaltsrecht rechnen, erklärte Ute Vogt, Parteivize und Leiterin der SPD-Arbeitsgruppe Integration. Neu ist das nicht: Derartige Sanktionen sind bereits möglich. Aber man kann es halt nicht oft genug sagen, meint die SPD offenbar. Wer will, kann die gestrige Erklärung auch als Absage an weitergehende Verschärfungen verstehen, die manche Unionspolitiker fordern.

Ehrenmorde und andere Formen der Gewalt innerhalb von Migranten-Communities ließen sich auch mit kulturellen Begründungen nicht rechtfertigen, betonte Vogt. Wie die Union befürwortet sie deshalb, einen neuen Straftatbestand „Zwangsverheiratung“ einzuführen.

Auch die umstrittene Entscheidung Böhmers, zum Gipfel weder den Zentralrat der Muslime noch den Islamrat einzuladen, ist für Vogt verständlich. Von einer Einladung habe wohl der Verfassungsschutz abgeraten, weil diese Organisationen Verbindungen zu „Milli Görüs“ unterhielten. Dieser Verband wird vom Verfassungsschutz als islamistisch eingestuft.

Was die gesamte Integrationspolitik betrifft, verortet sich die SPD ausdrücklich in der Mitte – zwischen „multikultureller Träumerei“ der Grünen und „rechtspopulistischen Anwandlungen“ der Union. Als Beispiel dafür nannte Vogt den „Gesinnungstest“ vor der Einbürgerung in Baden-Württemberg, den sie ablehne. Es blieb gestern die einzige Dissonanz zur CDU. Einen neuen Koalitionsstreit will die SPD vor dem Integrationsgipfel ganz offensichtlich nicht vom Zaun brechen. LUKAS WALLRAFF