Sonnencreme könnte Hirn aufweichen

Von wegen bedenkenlos bräunen: Titandioxid, wie es in Hightech-Sonnenschutzmitteln verwendet wird, steht im Verdacht, Nervenzellen zu schädigen. Dazu müssen die Nanopartikel allerdings erst einmal einen Weg durch die Haut finden

VON WOLFGANG LÖHR

Im Kampf gegen den Sonnenbrand und Hautkrebs schien es eine neue Waffe zu geben: die Nanotechnologie. Winzig kleine Partikel aus Titandioxid in der Sonnenschutzcreme sollen verhindern, dass UV-Strahlen die Haut schädigen. Doch jetzt macht ein beunruhigender Verdacht die Runde: Das Titanoxid könnte die Gehirnzellen schädigen, wie Forscher der US-Umweltbehörde EPA jetzt vermuten.

Bellina Veronesi vom EPA-Labor in North-Carolina hatte die Nanopartikel im Reagenzglas mit so genannten Gliazellen aus Mäusegehirnen vermischt. Diese wirken als Schutzzellen für die Nerven. Mit den Titandioxid-Partikeln konfrontiert produzierten die Gliazellen aggressive Sauerstoffmoleküle, die die Nervenzellen schädigen.

„Ein wertvolles Ergebnis“, kommentiert der New Yorker Toxikologe Günter Oberdörster im Wissenschaftsmagazin Nature. Allerdings warnte er davor, die Laborstudie einfach auf lebende Organismen zu übertragen. Um ihn zu schädigen, müssten die Nanoteilchen erst einmal in den Körper eindringen.

Nanoteilchen sind winzig klein und definitionsgemäß nicht größer als 100 Nanometer. Zum Vergleich: der Durchmesser eines Haares beträgt etwa 50.000 Nanometer. Es wird geschätzt, dass Nanoteilchen mittlerweile in etwa 500 bis 700 Produkten zu finden sind. So werden Titandioxid-Nanopartikel auch in Kosmetika, Lacken und Farben als UV-Schutz eingesetzt. BASF hat sogar Sonnenschutzkleidung mit anhaftenden Titandioxid-Partikeln entwickelt.

Um das Risiko dieser Produkte abzuschätzen, erforschen die Nanoexperten daher derzeit intensiv, ob und wie die Partikel in den menschlichen Körper gelangen können. Zumindest bei Sonnenschutzmitteln deutet Tilman Butz „Entwarnung mit einigen Vorbehalten“ an. Der Leipziger Professor leitet das EU-Forschungsprojekt „NanoDerm“ und hat bei Titandioxid-Partikeln über 20 Nanometern untersucht, ob sie durch die Haut in den Körper gelangen können. „Das Ergebnis war negativ“, sagte Butz der taz. „Die ultrafeinen Teilchen können die Hornhaut nicht durchdringen.“

Allerdings sind einige Fragen noch ungeklärt. So fand Butz in tieferen Hautschichten minimale Reste von Titandioxid: „Dorthin können sie nur beim Einreiben durch kleine Hautrisse gelangt sein.“ Studien mit verletzten Hautzellen gibt es jedoch nicht. Dabei führt Sonnenbrand oft zu nässender Haut, was den Titandioxid-Partikeln den Weg in den Körper erleichtern könnte. Auch sind die Ergebnisse nur für Partikel über 20 Nanometer gültig. „Kleinere Partikel mögen sich ganz anders verhalten“, so Butz. „Wir wissen darüber noch nichts.“ Butz erwartet vor allem, dass Teilchen unter zwei Nanometer ohne Schwierigkeiten die Haut durchdringen können.

Da auf den Sonnenschutzmitteln mit Titandioxid nicht drauf steht, wie groß die Teilchen sind, haben die Leipziger Forscher verschiedene gängige Produkte untersucht. Ergebnis: Keins der getesteten Sonnenschutzmittel enthielt Teilchen, „die deutlich kleiner als 20 Nanometer waren“.