„Wir sind Teil des Staates“

Der kommende Berliner CSD steht unter patriotischem Motto. Trendphänomen oder Bekenntnis zum Staat?

taz: Herr Salloch, das Motto des Berliner Christopher Street Day (CSD) am 28. 7. ist „Verschiedenheit und Recht und Freiheit“. Haben Sie nun auch den Patriotismus entdeckt?

Jan Salloch: Unser Motto ist deutlich an unsere Nationalhymne angelehnt, weil wir uns als Teil dieses Staates empfinden. Wir wollen nicht in die Mitte dieser Gesellschaft eingebettet sein, sondern als Teil von ihr akzeptiert werden und die gleichen Rechte haben. Deshalb haben wir auch kein Problem mit nationalen Symbolen.

Richten sich die Proteste von Schwulen und Lesben normalerweise nicht genau gegen Leute, denen solche Symbole am Herzen liegen?

Ja, aber wir dürfen diese Symbole nicht nationalistischen Kräften überlassen. Auch wir haben ein Recht, sie zu benutzen.

Gab es aus der Community Einwände gegen das Motto?

Ursprünglich wollten wir die Originalzeile „Einigkeit und Recht und Freiheit“ zum Motto machen. Darüber gab es sehr heftige Diskussionen, eine Mehrheit fanden wir dafür nicht. Wir machen den CSD für die Community und müssen respektieren, wenn es Vorbehalte gibt. Der jetzige Slogan ist zwar noch stark an die Hymne angelehnt, zeigt aber: Wir sind verschieden.

Hat die Fußball-WM etwas an der Akzeptanz nationaler Symbole verändert?

Wir springen mit unserem Motto nicht auf den Fußballpatriotismus-Zug auf. Schon lange vorher hatten wir ein solches Motto in Arbeit. Durch die WM wurden die Vorbehalte dagegen aber deutlich geringer, nicht nur bei Schwulen und Lesben. Zum Beispiel ist die Deutschlandfahne jetzt anders besetzt: Sie steht nicht mehr für bestimmte Leute, sondern für uns alle. Während und nach der WM liefen auch viele Schwule und Lesben mit Deutschlandfahnen herum.

INTERVIEW KERSTIN SPECKNER

Jan Salloch (40) ist Vorstandsmitglied und Sprecher des Berliner CSD e. V.