Nazis wollen neue Ostfront

Freie Kameradschaften mobilisieren bereits jetzt für Aufmärsche, die im September in Bielefeld, Gütersloh und Minden stattfinden sollen. Polizei registriert „rechtsagile Szene“ in Ostwestfalen

VON PETER COHRS

Die rechte Szene in NRW geht in die Peripherie. „Gegen Sozialabbau und Rentenklau“ wollen sie offiziell demonstrieren, in ihren Internet-Foren ruft die rechte Szene allerdings zum „Großkampftag in Ostwestfalen“ auf. Gleich drei Aufmärsche sind für den 16. September angemeldet worden: die „Freien Nationalisten Gütersloh“ wollen an diesem Tag in Bielefeld und Gütersloh auftreten. Zeitgleich will die „Nationale Offensive Schaumburg“ in Minden demonstrieren. Ob alle Aufmärsche genehmigt werden, ist unklar. „Wir beginnen gerade erst mit der Prüfung“, heißt es aus den betroffenen Polizeibehörden.

In Gütersloh waren erst im Frühjahr rund 150 Rechte „gegen den linken Mainstream“ auf die Straße gegangen. Gut 3.000 Gegendemonstranten blockierten die Route und sorgten dafür, dass der rechte Umzug abgebrochen werden musste. Auch Bielefeld hat ähnliche Veranstaltungen schon erlebt. Nur für die 80.000-Einwohner-Stadt Minden wäre ein rechter Aufmarsch eine neue Erfahrung – und eine echte Provokation. Gerne verweist man hier auf die links-liberale Tradition der Stadt an der Weser. Mit dem Verein „Friedenswoche“ hat eine der Keimzellen der Friedensbewegung bis heute guten Zulauf, auch der „Bund für Soziale Verteidigung“ hat in Minden seinen Sitz.

Dabei ist die Stadt schon lange kein weißer Fleck mehr auf der rechten Landkarte. Die „Republikaner“ haben zwei Sitze im Minden-Lübbecker Kreistag, der Kreisverband rühmt sich, „einer der aktivsten in NRW“ zu sein. Die Rechtsrocker „Reichswehr“ kommen aus der Stadt. In der Szene der „Freien Kameradschaften“ in Ostwestfalen tummeln sich auch prominente Mitglieder aus Minden: Rainer Müller zum Beispiel, der zu den führenden Männern des „NPD-Ordnerdienstes“ gehört. Es findet bundesweit kaum ein Aufmarsch der NPD statt, bei dem der bullige Mittdreißiger nicht mit seiner „Ordner“-Binde am Arm präsent ist. Allerdings: an seinem Wohnort ist Müller noch nicht öffentlich aufgetreten.

Vielleicht ist diese Zurückhaltung der örtlichen NPD auch ein Grund dafür, warum die Demonstration nicht von einem Mindener angemeldet wurde, sondern vom mehrfach vorbestraften Marcus Winter aus der niedersächsischen Nachbarstadt Stadthagen. Seine „Nationale Offensive Schaumburg“ störte zuletzt einen Vortrag des NPD-Aussteigers Jörg Fischer im Rahmenprogramm einer Anne-Frank-Ausstellung. „Wir werden schon dafür sorgen, dass es bald keine Juden in Deutschland mehr gibt“, war eine der Aussagen der Rechten. Das dreiste Auftreten bestätigt wohl Gerüchte aus der Kameradschafts-Szene, dass die „Nationale Offensive“ den NPD-Mitgliedern in der Nachbarstadt Nachhilfe geben will: Zu lasch seien die „Kameraden“, sie müssten aktiver auftreten und vor allen Dingen erfolgreicher um Nachwuchs werben.

Dass in der rechten Szene Ostwestfalens mehr Bewegung herrscht als noch vor einigen Monaten, stellt auch die zuständige Staatsschutz-Abteilung der Bielefelder Polizei fest. Man beobachte eine „rechtsagile Szene, die besonders dreist auftritt“. In allen größeren Städten der Region zeigten sich wieder Aktivitäten. Sicher sind die Staatsschützer allerdings auch, dass es den angekündigten „Großkampftag“ am 16. September in Ostwestfalen nicht geben wird – mangels Masse. Es sei kaum damit zu rechnen, dass die Kameradschaften mehr als 200 Teilnehmer mobilisieren könnten. Beim letzten Neonazi-Aufmarsch in Gütersloh waren noch 150 Rechte aus dem Ruhrgebiet herangekarrt worden – organisiert vom bekannten Kölner Neonazi Axel Reitz. Seine Unterstützung wird diesmal fehlen: Der 23-Jährige muss wegen Volksverhetzung für zwei Jahre und neun Monate hinter Gitter. Fraglich, ob seine Kameraden ohne ihn den Weg nach Ostwestfalen finden werden.