London liefert britische Banker an die USA aus

Vorwurf lautet auf Betrug in Verbindung mit dem Enron-Skandal. Abgeordnete protestieren gegen Auslieferung

BERLIN taz ■ Die drei ehemaligen Bankmitarbeiter aus Großbritannien, die im Zusammenhang mit dem Enron-Skandal in den USA vor Gericht gestellt werden sollen, sind gestern nach Houston in Texas ausgeflogen worden. Sie hatten sich am Morgen freiwillig zum Londoner Flughafen Gatwick begeben, wo sie von US-Polizisten in Empfang genommen und an Bord einer Linienmaschine gebracht wurden. Der britische Premierminister Tony Blair hatte ihnen am Vortag zugesichert, dass sie nach der heutigen gerichtlichen Anhörung in Texas gegen Kaution freigelassen würden. Das US-Justizministerium habe versprochen, keinen Einspruch gegen eine Kaution einzulegen, sagte Blair.

Das britische Unterhaus hatte am Mittwoch über den Fall der drei Bankiers debattiert. Zahlreiche Abgeordnete protestierten gegen die Entscheidung der Gerichte und des Innenministeriums, die Auslieferung zuzulassen. Als symbolische Geste beantragten sie, das Unterhaus am Mittwoch frühzeitig zu schließen. Der Antrag wurde mit 246 Stimmen bei vier Gegenstimmen angenommen. Die Regierungsfraktion hatte die Stimmabgabe verweigert, um die Abstimmung zur Farce zu machen.

Viele Abgeordnete halten das britische Auslieferungsabkommen mit den USA für einseitig und unfair. Es ist nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ausgehandelt worden, um die Auslieferung von Terrorismusverdächtigen zu beschleunigen. Während das Abkommen in Großbritannien Ende 2003 in Kraft trat, hat es der US-Senat bis heute nicht ratifiziert. Laut Vereinbarung müssen die US-Behörden ihre Anschuldigungen nicht untermauern.

Den drei ehemaligen hochrangigen Bankangestellten David Bermingham, Gary Mulgrew und Giles Darby wird vorgeworfen, ihren damaligen Arbeitgeber, die NatWest-Bank, überredet zu haben, ihre Anteile an einer Tochterfirma des US-Energiekonzerns Enron weit unter Wert zu verkaufen. Enron hat 2001 Bankrott angemeldet. Drei Monate zuvor war der Konzern offiziell noch rund 90 Milliarden Euro wert. In Wirklichkeit hatten die Enron-Bosse hohe Schulden verheimlicht, um Investoren nicht zu verschrecken. Der frühere Enron-Chef Kenneth Lay, der wegen Betrugs und Verschwörung verurteilt wurde, ist vorige Woche an Herzversagen gestorben. Am Dienstag fand die Londoner Polizei die Leiche von Neil Coulbeck, einem ehemaligen Kollegen der drei ausgelieferten Bankiers. Er war ein wichtiger Zeuge im Enron-Prozess.

RALF SOTSCHECK