Bundeswehrgelöbnis
: Kein Protest ist der Protest von heute

Die Leute, die die ritualisierten Gelöbnisfeiern der Bundeswehr seit Jahren stören, haben nun die Anti-Gelöbnis-Demo abgesagt. Ihr Argument: Unser Protest ist selbst zum Ritual geworden, Rituale aber sind zahnlos. Gut, Kirchenleute würden Einspruch erheben – schließlich halten sich ihre Rituale schon Jahrtausende. Aber was die politische Protestkultur angeht, ist der Ansatz bedenkenswert.

KOMMENTAR VON WALTRAUD SCHWAB

Wer will heute noch demonstrieren? Straßen entlanglatschen? Kreuzungen blockieren? Die Stimme erheben? Transparente malen? Sich nackt ausziehen für eine gute Sache und nicht fürs eigene Renommee?

Dabei gäbe es Gründe genug: eine Wirtschaftspolitik, die die Reichen reicher und die Armen ärmer macht. Umweltzerstörungen, die zugunsten von Profitinteressen in Kauf genommen werden. Zerstörung von gewachsenen Lebensstrukturen durch die neoliberale Politik. Dazu sich gefährlich zuspitzende Kampf- und Kriegshandlungen. Sei es im Kongo, in Afghanistan, in Irak oder jetzt im Nahen Osten.

Wenn es um Kriege geht, hatte der Gelöbnix-Protest hohen symbolischen Wert. Aber was soll’s, wenn der Protest nur noch die Medien interessiert? Oder noch schlimmer: Wenn die Bundeswehr-Gelöbnisfeiern selbst davon profitieren, dass es die Proteste gibt, weil diese das Sahnehäubchen auf der Berichterstattung sind.

An der Stelle die Proteste abzusagen hat Charme. Sollen die Fernsehleute ihre Kameras auf die starren Soldaten richten und hoffen, dass deren unbewegliche Gesichter eine Story hergeben, die den skandalsüchtigen Fernsehzuschauer verwöhnt. Protestformen sind vom Mainstream und den Medien vereinnahmt. Sie werten die Geschehen auf, gegen die sie protestieren. Sich zu besinnen und sie abzusagen, ist deshalb mehr als charmant: Es ist weise. Sofern die Zeit genutzt wird, um sich neu zu orientieren. Denn Gründe, zu protestieren, gibt es – siehe oben – genug.

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