Die Stille nach dem Aufschrei

Als Nachbarn den Basketballspieler Omar Ba rassistisch bedrohten, sah das offizielle Bremen darin vor allem einen Angriff auf das Image der Stadt. Einhellig wurde Empörung ausgerufen. Zwei Monate später spricht kaum noch jemand von dem Fall

„Zeitnah“, sagt ein Polizeisprecher, seien Ermittlungsergebnisse „nicht zu erwarten“

Von Christian Jakob

Man könnte sagen, dass es Omar Ba geschafft hat. Der Aufbauspieler der „Bremen Roosters“ gilt als Topspieler des Basketball-Zweitligisten. Der Weser-Kurier nennt den Jugendtrainer einen „bewunderten Lehrmeister“, und in Internet-Foren kann Omar Ba lange Listen von Fan-Einträgen über sich lesen.

Im April jedoch kam es zu einem Vorfall, der einen Schatten auf Bas Leben warf. Er erhielt einen Brief voller übler rassistischer Beleidigungen. Offenbar war der Brief von Nachbarn verfasst worden, heißt es darin doch unter anderem, man wolle keinen „Niggerarsch“ im Haus.

Omar Ba, im Senegal als Sohn eines Schuldirektors geboren, lebt seit 1996 in Deutschland. 2003 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft. Über mehrere norddeutsche und einen französischen Verein kam er 2004 zu den „Bremen Roosters“, einer Mannschaftsfusion der Bremer Vereine TSV Lesum und BTS Neustadt. Für Lesum trainiert er zwei Jugendmannschaften.

Hat es vor dem Brief schon einmal Ärger im Haus gegeben? „Überhaupt nicht. Ich bin ja gerade erst eingezogen und kannte keinen Einzigen der Nachbarn,“ sagt Ba. Er beschloss zunächst, den Brief zu ignorieren. Selbst als ihm kurz darauf das Auto demoliert wurde, sah er keinen Grund, die Sache öffentlich zu machen. „Ich habe mich nie wirklich bedroht gefühlt und dachte, die sind es nicht wert,“ sagt er. Freunde aus dem Verein überzeugten ihn schließlich, Anzeige zu erstatten und den Fall öffentlich zu machen.

Der Staatsschutz nahm Ermittlungen wegen Volksverhetzung und Sachbeschädigung auf. Gegenüber der Presse hieß es, die Täter würden „sehr bald“ gefasst. Das ist sechs Wochen her. Inzwischen relativiert die Polizei ihre Ankündigung. „Zeitnah“, sagte ein Polizeisprecher am Freitag, seien Ermittlungsergebnisse „nicht zu erwarten“.

Offenbar wurden von Bewohnern des Hauses Fingerabdrücke und Schriftproben genommen. Das, so sagt Ba, habe ihm eine Nachbarin berichtet, die zu ihm kam, um ihm zu versichern, dass sie an der Briefattacke nicht beteiligt war. Hat ihn das gefreut? „Eigentlich nicht“, sagt er. „Warum sollte mich freuen, dass sie keine Rassistin ist? Das sollte selbstverständlich sein.“

Gefreut hat ihn etwas anderes. Kurz nachdem die Angriffe bekannt wurden, bekam er Besuch von einer Grundschulklasse aus seinem Stadtteil. Diese schenkte ihm einen Basketball mit den Unterschriften aller SchülerInnen. Als Zeichen der Solidarität. „Wenn Kinder in dem Alter über so etwas nachdenken, kann das noch wirklich etwas verändern,“ sagt Ba. Allein dafür habe sich der Schritt an die Öffentlichkeit gelohnt.

Ba wohnt in der Clamersdorfer Straße in Bremen-Schönebeck. Dort stehen zugewucherte, leer stehende Ladenlokale neben Einfamilienhäusern und Mietskasernen. Die von Ba ist die letzte in der Straße. Sie steht zu einem Drittel leer, und selbst der fantasievollste Makler könnte die 76 Wohnungen bestenfalls als „günstig“ anpreisen. Warum zieht Ba nicht einfach aus? Er holt tief Luft. Erstens, sagt er, habe er im Stadtteil noch nie Probleme irgendwelcher Art gehabt. Trotz der Neonazis in Bremen-Nord, von denen er wisse. Zweitens habe es seit Wochen keine Übergriffe mehr gegeben und Angst habe er auch keine.

Es gibt noch einen Grund, warum er nicht ausgezogen ist. Nach der Trennung von seiner Frau vor einigen Monaten, erzählt Ba, brauchte er kurzfristig eine neue Unterkunft. Viermal habe er in dieser Zeit versucht, in der Innenstadt eine Wohnung anzumieten. Er, der Basketballstar. Habe sich mit den Vermietern zu Wohnungsbesichtigungen verabredet. Immer habe er sich den Termin kurz vorher telefonisch bestätigen lassen. Als die Wohnungseigentümer ihm dann gegenüberstanden, bekam er jedes Mal zu hören, die Wohnung sei schon vermietet.

„Das ist dreimal passiert. Beim vierten Mal habe ich den Vermieter kurz vor dem Termin angerufen und gesagt, dass ich Schwarzafrikaner bin.“ Auch die vierte Wohnung hat er nicht bekommen. Die Wohnung in der Clamersdorfer Straße hat ihm übrigens der Verein besorgt.

Als Ba die Öffentlichkeit über die Angriffe informierte, wurde das offizielle Bremen für kurze Zeit sehr laut. Der Landessportbund, die SPD, die Bild-Zeitung, sogar der CDU-Innensenator. Alle waren „geschockt“, „betroffen“, „empört“ und verfassten Erklärungen oder schrieben Artikel. Zu Recht, keine Frage. Schweigen wäre ein politischer Skandal gewesen. Doch war es wirklich die Empörung, die Senatoren und Funktionäre antrieb? War es nicht eher die Sorge um das Bild von Bremen in der Öffentlichkeit? Schwarzer Spitzensportler, von Rassisten angegriffen – das war sicher nicht das Bild, das man wollte.

Weniger prominente Migranten werden in Deutschland fast täglich zum Opfer solcher und viel schlimmerer Angriffe. Öffentliche Reaktionen wie im Fall von Ba sind die große Ausnahme. Glaubt er, dass die Entrüstung aufrichtig war? „Natürlich hatte das damit zu tun, das ich ohnehin oft in der Zeitung stehe. Aber diese Erklärungen ändern das Denken der Leute sowieso nicht.“

Nach Bremen kam Ba einst, um Politikwissenschaft zu studieren. Das Studium habe ihm gefallen, sagt er. „Besonders interessant war ein Seminarprojekt, bei dem wir per Videokonferenz den Sitzungen des EU-Konvents zugeschaltet waren.“ Zu dieser Zeit spielte Ba in der Basketball-Nationalmannschaft des Senegal. In den Semesterferien musste er ins Trainingslager, in die USA oder in den Senegal. Auf Dauer wurde ihm das zu anstrengend, er hängte das Studium an den Nagel.

Bas Mannschaft kam in der vergangenen Saison auf den 14. Tabellenplatz der Nord-Sektion der 2. Liga. Über die Hälfte der Spieler wurde nach 1985 geboren. Ba ist seit April 34. Eine große Profi-Karriere steht ihm nicht mehr bevor. Am liebsten, sagt er, würde er an der Deutschen Sporthochschule in Köln studieren und danach „irgendwas mit Sport“ machen. Allerdings sei es schwierig, in Köln einen Platz zu bekommen. Derzeit sieht es so aus, als würde er noch in diesem Jahr eine Lehre in einer Spedition anfangen.