US-Senat provoziert Bushs erstes Veto

Bei der Frage der Förderung der Stammzellenforschung mit öffentlichen Mitteln dürfte eine Mehrheit der Senatoren wie bereits der Vertreter im Abgeordnetenhaus dem US-Präsidenten und seinen christlich-konservativen Unterstützern nicht folgen

AUS WASHINGTONADRIENNE WOLTERSDORF

Der US-Senat könnte die staatliche Förderung der umstrittenen Stammzellenforschung billigen – und damit das erste Veto von Präsident George W. Bush provozieren. Beobachter rechneten gestern damit, dass ein nach Redaktionsschluss angesetztes Votum den christlich-konservativen Gegnern der Stammzellenforschung eine Niederlage beschert. Eine entsprechende Gesetzesvorlage hat das Abgeordnetenhaus bereits passiert. In Umfragen befürworten 72 Prozent der Bevölkerung diese Forschung. Bush hatte wiederholt gedroht, die Förderung mit einem Veto zu blockieren, sollte sie beschlossen werden. „Der Präsident bleibt bei seiner Haltung“, so das Weiße Haus am Montag.

Derzeit wird in den USA keine Forschung, die auf embryonale Stammzellen zurückgreift, mit öffentlichen Mitteln gefördert. Dem Senat liegt jetzt ein Gesetzentwurf vor, der das ermöglichen soll. Forscher setzen große Hoffnungen in die aus Embryonen gewonnenen Urzellen, die sich in verschiedene Gewebearten weiterentwickeln lassen. Langfristig sollen so etwa Therapien gegen Alzheimer, Parkinson oder Querschnittslähmungen möglich werden.

Es war die Witwe des früheren Präsidenten Ronald Reagan, Nancy, die sich beharrlich für eine Wiedervorlage der umstrittenen Gesetzesinitiative eingesetzt hatte. Dass der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Bill Frist, die Abstimmung im Juni überhaupt erneut auf die Tagesordnung setzte, gilt bereits als Zeichen des Umdenkens. Noch im Mai 2005 hatte sich der Senat mehrheitlich gegen die staatliche Förderung der Stammzellenforschung ausgesprochen. Beobachter rechnen jedoch in beiden Kammern nicht mit der erforderlichen Mehrheit von je 67 Stimmen, um das Präsidenten-Veto überstimmen zu können.

Christlich-konservative PolitikerInnen vergleichen die Stammzellenforschung hingegen mit einer Abtreibung, weil bei Entnahme der Stammzellen die einen Tag alten Embryonen zerstört werden. Bush und tonangebende republikanische Senatoren wie Sam Brownback sowie weite Teile seiner Unterstützer halten dies für unmoralisch.

Nancy Reagan setzt sich seit Jahren für die Stammzellenforschung ein, weil ihr Mann nach einem Jahrzehnt des Leidens 2004 an Alzheimer gestorben war. Die zur Abstimmung stehende Vorlage sieht vor, dass künftig auch Projekte mit Steuergeldern gefördert werden sollen, die überzählige Embryonen aus der Fortpflanzungsmedizin nutzen. Diese befruchteten Eizellen würden nach derzeitiger Praxis ohnehin zerstört, heißt es.

Die katholische Kirche der USA wandte sich vergangene Woche erneut gegen diese Argumentation. Aus einem bestehenden ethischen Unrecht heraus neues zu begründen, sei moralisch unzulässig, sagte der für Bioethikfragen verantwortliche Kardinal William Keeler.

„Es ist schwer zu akzeptieren, dass das Bushs erstes Veto ausgerechnet ein Nein gegenüber Ärzten, Forschern, Patienten und deren Familien werde“, meinte dagegen die demokratische Senatskandidatin des US-Bundesstaates Missouri, Claire McCaskill. Während auf dem Capitol seit Monaten beide Parteien heftig um die Stammzellenforschung streiten, kündigten die US-Spitzenuniversitäten Harvard und University of California unabhängig voneinander im Juni an, Stammzellenforschung vorantreiben zu wollen. Sie begannen bereits mit privat finanzierter Forschung zum menschlichen oder therapeutischen Klonen. Ziel sei es, Stammzelllinien zu kreieren, die die Arbeit zu spezifischen Krankheiten erlaubten. Ihr Entschluss, der nach langwierigen Beratungen zu ethischen und wissenschaftlichen Fragen gefallen sei, soll ein viel versprechendes Forschungsfeld wiederbeleben, hieß es. Denn Stammzellen aus der Fortpflanzungsmedizin seien für die Forschung ungeeignet, da sie keinen spezifischen Krankheitsbildern zugeordnet werden könnten.

Sollte Bush in der Stammzellenfrage und anderen Kernthemen wie Ablehnung der Homoehe und Abtreibung zu nachgiebig sein, drohen einflussreiche christlich-konservative Organisationen, den Republikanern bei den Wahlen im November ihre Unterstützung zu entziehen.