Erste Atempause fern vom Libanon

Pausenlos fliegt die Luftwaffe tausende von deutschen Staatsangehörigen aus dem Kriegsgebiet aus. Allein in Köln wurden schon über 900 Flüchtlinge aufgenommen, versorgt und psychologisch betreut. Die meisten reisen zu Verwandten weiter

AUS KÖLN CHRISTIANE MARTIN

Für den Moment scheinen sie Frieden gefunden zu haben. Die Kriegsflüchtlinge aus dem Libanon, die in einer Wohnanlage der Stadt Köln vorübergehend Unterschlupf gefunden haben, sitzen unter Sonnenschirmen auf Bierbänken. Babys schaukeln auf den Armen ihrer Mütter, Kinder spielen mit Bällen, Jugendliche liegen in kleinen Gruppen auf dem Rasen unter blauem Himmel.

Bis Freitagmittag waren am Köln-Bonner Flughafen in mehreren Schüben insgesamt 500 deutsche Staatsangehörige aus dem Krisengebiet gelandet. Die meisten reisten direkt weiter zu Verwandten oder Freunden. Knapp 100 aber fanden in Köln nicht nur eine erste Notunterkunft, sondern auch dringend notwendige psychologische und medizinische Betreuung.

„Man sieht es ihnen auf den ersten Blick nicht an. Und jetzt, nach der ersten ruhigen Nacht seit Tagen, wirken sie noch einmal etwas entspannter“, erklärt Regina Plenz, die den Einsatz für die Stadt Köln leitet. „Aber die Menschen, die hier bei uns ankommen, sind schwer traumatisiert.“

Sie hätten keineswegs eine geregelte Evakuierung hinter sich. Sie seien zum Teil auf dem Rollfeld des völlig überlasteten Flughafens in Damaskus aufgesammelt worden, nachdem sie in einer wahren Odyssee dorthin gekommen waren.

Das Auswärtige Amt und die deutschen Botschaften in Beirut und Damaskus geben nach eigenen Angaben ihr Bestes, um allen Ausreisewilligen mit deutscher Staatsangehörigkeit zu helfen, werden aber von den chaotischen Verhältnissen vor Ort offenbar behindert. Bis Freitagmittag konnten 4.200 Menschen mithilfe der Bundesregierung vor den israelischen Bombardements fliehen. Weitere Deutsche in nicht bekannter Zahl warten noch auf Hilfe, vor allem im schwer zugänglichen Südlibanon.

In Köln stehen für die hier Ankommenden mehr als 30 Helfer der Stadt und des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) rund um die Uhr bereit. Sie versorgen die Notleidenden als Erstes mit Essen und Trinken, Duschgelegenheiten und Schlafplätzen. Notfallseelsorger der Feuerwehr führen Gespräche, mildern den psychischen Druck und helfen den Betroffenen, die Erlebnisse der letzten Tage zu verarbeiten.

Oft ist es aber auch organisatorischer Beistand, der gefragt ist. Der 15-jährige Achmat* beispielsweise ist ganz allein aus dem Libanon geflohen, hat seinen Vater dort zurücklassen müssen und möchte nun nach Berlin, wo seine Mutter inzwischen sicher gelandet ist. Regina Plenz und ihre Mitarbeiter haben für Achmat eine Mitfahrgelegenheit bei einer anderen Familie besorgt und widmen sich nun einer kleinen Gruppe von Flüchtlingen, die zum Kölner Hauptbahnhof gebracht werden muss.

Zwischendurch geben sie Auskunft, wo ein Fernseher steht oder ein Computer mit Internetanschluss. „Viele der Flüchtlinge wollen natürlich ständig wissen, was im Libanon passiert“, erzählt einer der Helfer. Am Abend bei der „Tagesschau“ hätten dann aber einige angesichts der Bilder aus dem Kriegsgebiet ihre gerade wiedergewonnene Fassung verloren.

Laut Regina Plenz müssen viele der ankommenden Flüchtlinge zudem medizinisch versorgt werden. Verletzte gebe es zwar keine, aber einige hätten auch körperlich sehr unter den Strapazen gelitten. Einmal habe man sogar den Notarzt rufen müssen.

„Eine junge Frau war so sehr traumatisiert, dass wir sie in eine psychiatrische Klinik bringen mussten“, erzählt Sebastian Hombach, Leiter des DRK-Einsatzes. Er ist froh, dass es auf dem Gelände der Wohnanlage so friedlich zugeht. „Das verschafft uns allen mal eine Atempause“, sagt er. Da klingelt auch schon sein Handy. Seine Kollegen, die am Köln-Bonner Flughafen eingesetzt sind, melden die Ankunft von weiteren 200 Flüchtlingen.

„Wir wissen nicht, wie viele davon hierher kommen und welche Hilfe sie brauchen“, sagt Hombach. Man sei aber für alles gewappnet, sagt er im Davoneilen noch.

Am Samstagmorgen landeten zwei weitere Maschinen der Luftwaffe aus Damaskus mit insgesamt über 300 Menschen in Köln-Bonn. Sonntagmorgen kam ein Flugzeug mit 137 Flüchtlingen. Die Kinder bis zwei Jahre, die auf dem Schoß der Eltern mitfliegen, zählen nicht mit.

* Name geändert