Häftling in den Knast entlassen

Seit neun Monaten sitzt Juluous Denes in Abschiebehaft. Jetzt ließ ihn ein Richter frei – nur um ihn kurz darauf wieder einzusperren. Kritik von Grünen und Flüchtlingspfarrer: „Das zerstört Menschen“

Von Marlene Wolf

Dem Amtsgericht Schöneberg und der Ausländerbehörde ist offenbar eine schwere Panne im Umgang mit einem Abschiebehäftling unterlaufen. Sie ließ den seit neun Monaten inhaftierten Liberianer Juluous Denes frei. Anschließend steckte derselbe Richter den 41-Jährigen wieder in seine Zelle – mindestens bis Mitte August.

Die Panne ereignete sich am vergangenen Mittwoch. Die Ausländerbehörde hatte dem Amtsgericht einen Brief geschrieben. Darin erklärten sie, warum die Abschiebehaft für Denes verlängert werden müsse. Dieser Brief kam aber im Amtsgericht unter die Räder. Der Richter, der sich mit dem Fall beschäftige, ließ Denes unverzüglich frei. Die Wärter im Abschiebeknast Grünau kamen dieser Aufforderung nach. Sie forderten Denes auf, seine Sachen zu packen. Doch die Aufpasser begleiteten ihn nicht zum Tor, sondern in die nächste Zelle.

Denn in der Zwischenzeit war das Schreiben der Ausländerbehörde bei Gericht wieder aufgetaucht. Da das Urteil jedoch nicht abgeändert werden konnte, stellte die Ausländerbehörde einen neuen Haftantrag. Allerdings mit einer leicht geänderten Begründung: Der Häftling habe versucht, seine wahre Identität zu verschleiern. Bei dem Häftling handele es sich nicht um Denes, sondern um Bamiro Babetunde Ayodele. Der 41-Jährige habe zudem versucht, seine Abschiebung zu verhindern.

Die Folge: Juluous Denes kommt wieder in Haft. Rechnet man die Zeit zwischen Entlassung und neuem Haftantrag zusammen, war der 41-Jährige keine drei Stunden frei – ganz formal betrachtet. Denes hatte sich sogar bereits bei dem Seelsorger im Abschiebegewahrsam, Bernhard Fricke, gemeldet und euphorisch „Ich bin frei“ durchs Telefon gerufen.

Denes’ Behandlung stößt auf herbe Kritik: Selbst wenn der Häftling seine wahre Identität verschleiert habe, sei die erneute Festnahme „ein Skandal“, sagt Thomas Birk, Grünen-Sprecher für Verwaltungsreformen im Abgeordnetenhaus. Auch Bernhard Fricke findet: „Man kann jemanden nicht freilassen und gleich wieder festnehmen. Das zerstört einen Menschen.“

Katrin-Elena Schönberg, Sprecherin des Amtsgerichts Schöneberg, begründet die Panne mit menschlichem Versagen. Die Stellungnahme der Ausländerbehörde habe jemand versehentlich in die falsche Akte einsortiert. Statt Beschwerde gegen die Entscheidung des Richters einzulegen – und in Kauf zu nehmen, dass Denes den Abschiebeknast verlassen darf –, erkannte man die Entscheidung des Richters als rechtskräftig an und stellte einen neuen Haftantrag. Über den ist noch nicht entschieden – die Haft bleibt aber bestehen.

Für diesen Antrag reicht nach Meinung Barbara Dubicks, der Anwältin von Juluous Denes, die Stellungnahme der Ausländerbehörde aber nicht aus. Die Fakten, dass der Häftling noch unter einem anderen Namen bekannt ist und dass er seine Abschiebung nach Meinung der Behörde auch verhindert habe, waren nämlich bereits vor der Entlassung bekannt. Deswegen legte Dubick gegen den neuen Haftantrag Beschwerde ein.

Der 41-jährige Denes sitzt seit Oktober 2005 im Abschiebegewahrsam in Köpenick. Seit Januar ist die Ausländerbehörde darum bemüht, ihn nach Nigeria abzuschieben. Trotz anfänglicher Kooperation mit den Berliner Behörden stellte die nigerianische Botschaft für diesen Namen keine Papiere aus. Die Ausländerbehörde verhandelte weiter und buchte bereits ein Flugticket, das den Flüchtling nach Lagos bringen sollte. Der Pass lag jedoch nicht vor, das Ticket musste verfallen. Und auch die liberianische Botschaft zeigte an dem Häftling kein Interesse. Die Haftdauer wurde daraufhin regelmäßig um drei Monate verlängert. In Köpenick gilt Denes inzwischen als „Dienstältester“.