Schon immer ein angespanntes Verhältnis

Die Spannungen zwischen Tel Aviv und den Vereinten Nationen sind so alt wie die Gründung des Staates Israel. Einer der wichtigsten Gründe für die kritische Haltung vieler UN-Mitglieder: Israel hat bis heute völkerrechtlich verbindliche UN-Resolutionen nicht umgesetzt

GENF taz ■ Die Tötung von vier unbewaffneten UN-Beobachtern durch einen israelischen Angriff wird das ohnehin sehr angespannte Verhältnis zwischen Israel und der Weltorganisation zusätzlich belasten – völlig unabhängig davon, ob dieser Angriff vorsätzlich erfolgte oder ein Versehen war.

Die Spannung existiert seit der Gründung des Staates Israel 1947 durch einen Beschluss der UN-Vollversammlung. Dieser etablierte auf einem Teil des ehemals britischen Mandatsgebiets Palästina den Staat Israel als neue Heimstatt für die Juden, die den von Deutschland verübten Holocaust überlebt hatten. Dieser UN-Beschluss ist damals und bis heute zumindest von einer kleinen Minderheit der Palästinenser sowie der Bevölkerung der umliegenden arabischen Staaten nicht wirklich akzeptiert worden.

Die Ablehnung verstärkte sich, als Israel das im UN-Beschluss ursprünglich ausgewiesene Staatsgebiet bis 1948 durch einseitige, von den UN formal nie abgesegnete Maßnahmen noch ausweitete. In der Entkolonialisierungsphase, die allein zwischen 1945 und 1960 zu einer Verdoppelung der Zahl der UN-Mitgliedsstaaten von ursprünglich 51 auf über 100 führte, wuchs auch die israelkritische Fraktion innerhalb der UN-Generalversammlung. Die (vor einigen Jahren rückgängig gemachte) Resolution, mit der die Generalversammlung in den 70er-Jahren mit großer Mehrheit den Zionismus als eine Form des Rassismus verurteilte, führte zu einer weiteren Belastung der Beziehungen zwischen Israel und den UN.

Einer der wichtigsten Gründe für die kritische Haltung einer Mehrheit der 191 UN-Mitglieder, wenn auch nicht gegenüber dem Staat Israel und seiner Existenz, aber gegenüber der Politik der israelischen Regierungen, ist, dass Israel bis heute nicht die völkerrechtlich verbindlichen UN-Resolutionen 242 und 338 umgesetzt hat. Diese fordern die Aufgabe sämtlicher von Israel seit 1967 besetzten Gebiete. Die Tatsache, dass in erster Linie die USA, aber auch die Europäer Israel gegen diese Kritik in Schutz nehmen, gilt vielen UN-Mitgliedern als Beispiel für die „Doppelstandards“ des Westens bei der Beachtung und Durchsetzung des Völkerrechts.

Auf der anderen Seite beklagt sich Israel darüber, dass bis heute keine der fünf Regionalgruppen der UN-Generalversammlung bereit war, Israel als Mitglied aufzunehmen – auch die „westliche Gruppe“ aus USA, Westeuropa, Kanada, Australien und Neuseeland nicht.

Mit Blick auf die Konfliktsituation im Libanon moniert Israel, dass die Resolution 1599 des UN-Sicherheitsrats, die auch eine Entwaffnung der Hisbollah vorsieht, bis heute nicht umgesetzt wurde. Das liegt allerdings nicht zuletzt daran, dass die derzeitige UN-Mission im Libanon gerade auch auf Wunsch Israels und auf Drängen der Vetomacht USA seinerzeit mit einem so schwachen Mandat vom Sicherheitsrat ausgestattet wurde, dass sie diese Aufgabe nicht ernsthaft angehen konnte. Hinzu kommt, dass die israelischen Streitkräfte die Unifil seit ihrer Stationierung im Jahre 1978 häufig massiv an der Ausführung ihres Mandats behindert haben.

Einer der schwerwiegendsten Konflikte in diesem Zusammenhang war der Beschuss des von der UN betriebenen Flüchtlingslagers beim Unifil-Stützpunkt Kana durch israelische Streitkräfte am 18. April 1996. Bei dem Angriff, den Israel bis heute als tragisches Versehen darstellt, kamen 102 Flüchtlinge ums Leben. Die Veröffentlichung der von UN-Beobachtern aufgenommenen Videofilme mit eindeutigen Beweisen für den gezielten Angriff der israelischen Streitkräfte führte seinerzeit dazu, dass die US-Regierung dem damaligen UN-Generalsekretär Butros Ghali ihre Unterstützung für eine zweite Amtszeit versagte.

ANDREAS ZUMACH