Vergebliche Hilferufe

Vor dem tödlichen Bombenangriff war der UN-Posten bereits mehrfach von Israelis beschossen worden

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

Am Vorabend der gestrigen Nahostkonferenz in Rom wurde ein Beobachterposten der UN-Truppe Unifil in Südlibanon durch einen möglicherweise gezielten Angriff der israelischen Luftwaffe beschossen. Dabei starben vier unbewaffnete UN-Soldaten. Der Angriff stieß international auf heftige Kritik.

UN-Generalsekretär Kofi Annan, der sich öffentlich in der Regel eher vorsichtig äußert, zeigte sich in einer schriftlichen Stellungnahme „zutiefst schockiert“ über den „offensichtlich vorsätzlichen Angriff“ der israelischen Luftwaffe. Annan kritisierte, die „koordinierten Artillerie- und Luftangriffe auf den seit langer Zeit etablierten und klar gekennzeichneten UN-Posten“ seien erfolgt, obwohl ihm Israels Ministerpräsident Ehud Olmert „persönliche Zusagen gegeben“ habe, „dass UN-Posten von israelischen Angriffen verschont bleiben“.

Unifil-Kommandeur General Alain Pellegrini hatte am Dienstag „in wiederholten Kontakten mit Offizieren der israelischen Streitkräfte darauf gedrungen, dass der UN-Posten Kyam nicht angegriffen“ werde. Annan forderte die israelische Regierung auf, „diesen sehr schwerwiegenden Zwischenfall umfassend zu untersuchen, aufzuklären und dafür zu sorgen, dass keine weiteren Angriffe auf UN-Personal erfolgen“.

Annan reagierte so deutlich, weil seit Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hisbollah auf libanesischem Territorium bereits zwölf UN-Mitarbeiter getötet oder verletzt wurden. Seit Stationierung der Unifil im Jahre 1978 kamen bereits 257 ihrer Mitglieder ums Leben. Bei den vier am Dienstag getöteten UN-Beobachtern handelt es sich um einen Finnen, einen Österreicher, einen Chinesen und einen Kanadier.

Die finnische EU-Ratspräsidentschaft forderte Israel auf, die Tötung der UN-Beobachter umfassend zu untersuchen. „Je länger diese Krise andauert, desto wahrscheinlicher wird es weitere derartige Verluste geben“, sagte der finnische Außenminister Erkki Tuomioja. Die „so genannten Präzisionsangriffe“ der israelischen Armee schienen „alle zu treffen, bis auf die Hisbollah“.

Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik nannte den „Angriff auf unbewaffnete UN-Beobachter vollkommen unakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen“. Der israelische Botschafter in Wien wurde ins Außenministerium zitiert. Plassnik forderte Israel dringend dazu auf, den Beschuss des Gebiets sofort einzustellen.

Bereits vor dem tödlichen Bombenangriff war der Posten der UN nach Angaben der Unifil mehrfach von Israelis beschossen worden. Nach Informationen des TV-Senders CNN, dem eine UN-Chronik der Ereignisse am Dienstag vorliegt, explodierte um 13.20 Uhr eine erste Bombe nur rund 200 Meter von dem später getroffenen UN-Posten entfernt. Daraufhin hätten sich die Beobachter erstmals telefonisch bei ihrem Kontaktmann bei der israelischen Armee gemeldet. Zu diesem Zeitpunkt sei ihnen versichert worden, die Angriffe würden gestoppt. In den folgenden Stunden schlugen jedoch neun weitere Bomben im Umkreis von 100 bis 400 Metern ein. Nach jeder Explosion riefen die Blauhelme erneut bei den Israelis an. Um 19.40 Uhr Ortszeit verlor das Unifil-Hauptquartier den Kontakt zu dem Posten.

Wegen der andauernden Kämpfe war es zunächst nicht möglich, zu dem zerstörten UN-Bunker vorzudringen. „Der UN muss umgehend der volle und gesicherte Zugang zum betroffenen Posten ermöglicht werden“, forderte die österreichische Außenministerin.

Auch China bestellte den israelischen Botschafter ins Außenministerium ein und verlangte von Israel „eine gründliche Untersuchung, eine Entschuldigung bei China und bei der Familie des Opfers sowie Hilfe für die chinesische Seite bei der Bestattung“.

Die israelische Regierung bedauere „den tragischen Tod von UN-Mitarbeitern im Libanon“ zutiefst, erklärte das israelische Außenministerium. „Israel zielt nicht auf Mitarbeiter der UN.“ Der Zwischenfall vom Vorabend werde „gründlich untersucht“. Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert erklärte in einem Telefongespräch mit Annan, die UN-Beobachter seien „versehentlich“ getötet worden. Annans Äußerungen über einen „offensichtlich vorsätzlichen Angriff“ wies Olmert zurück.