Sisyphus im Fluss

Neuerliche Vertiefung der Elbe schafft nur größere Probleme, sagen die Naturschützer von „Rettet die Elbe“. Behördendaten weisen nach, dass der Fluss sich nicht ausbaggern lässt. Alles kommt zurück

Von Sven-Michael Veit

Cuxhaven, Glückstadt, Köhlbrand – das sind die drei größten Problemzonen derer, denen die Elbe vornehmlich ein Wirtschaftswasserweg ist. Herbert Nix ist Umweltschützer, und deshalb sagt er: „Jede neue Vertiefung des Stromes verschärft die Probleme nur. Eine Sisyphusarbeit ist nicht zu bewältigen.“

Denn die Tide bringe alles wieder zurück in den Fluss und in den Hamburger Hafen, was zuvor ausgebaggert worden war. Gewaltige Mengen an Schlick und Sand werden Jahr für Jahr in der Unterelbe und in der Nordsee abgeladen, aber der Fluss und die Gezeiten „schleppen immer mal ein paar Millionen Kubikmeter von hier nach dort“. Die ständige Baggerei zur Freihaltung der Fahrrinne und die alle paar Jahre mit Millionenaufwand durchgeführten Vertiefungen der Elbe, sagen Nix und sein Mitstreiter Klaus Baumgardt vom „Förderkreis Rettet die Elbe“, seien ökologisch und auch ökonomisch unsinnig: „Das Wasser ist stärker.“

Baumgardt und Nix haben alle Messdaten der Wasser- und Schifffahrtssämter Hamburg und Cuxhaven ausgewertet, die diese an etwa fünf Millionen Peilpunkten zwischen Geesthacht und der Elbmündung seit 1998 erhoben haben. „Jede Vertiefung ändert und verstärkt die Strömungen“, ist ihre wesentliche Erkenntnis, „denn die Sedimente sind noch stärker in Bewegung als zuvor“.

So würden in der Elbmündung vor Cuxhaven jährlich etwa 45 Millionen m[3]Sand []verlagert. Der Medemsand im Norden des Mündungstrichters erhöhte sich an manchen Stellen zwischen 2003 und 2004 um etwa vier Meter, an anderen Stellen wurden bis zu sieben Meter weggespült. „Die Sandbank“, sagt Baumgardt, „verlagert ständig ihre Größe und Position“ (siehe Fotos).

Ein weiterer Schwerpunkt der laufenden Baggerarbeiten ist der Flussabschnitt vor dem schleswig-holsteinischen Glückstadt. Durchschnittlich müssten dort pro Jahr und Kilometer etwa 400.000 m[3]Schlick und Sand aus dem Fluss geholt werden, an den meisten anderen Orten „ist es meist nur ein Zehntel“. Vor Glückstadt, sagt Nix, „kann man buddeln, bis man schwarz wird“.

Ein dritter und besonders pikanter Problemberg hat sich im Zentrum des Hamburger Hafens neu erhoben. An der Einfahrt von der Norderelbe in den Köhlbrand zum neuen und lange umstrittenen Containerterminal Altenwerder lagert der Fluss seit etwa vier Jahren verstärkt meterdick Sedimente ab: Von gut 300.000 m[3]im Jahr 2001 wuchs die Menge bis 2004 um etwa das Dreifache auf rund eine Million.

Die Häufung begann zeitgleich mit der Zuschüttung der Elbbucht Mühlenberger Loch sechs Kilometer stromabwärts für die Erweiterung des Airbus-Werkes. In der dort verkleinerten Flachwasserzone kann der Fluss weniger ablagern, „also tut er es an der nächsten Kurve“, sagt Nix. Dass der Hamburger Senat also mit den Naturzerstörungen für die Flugzeugwerft seinen Hafen selbst zuschüttet, will er aber „so eindeutig nicht schlussfolgern“.

Das neuerliche Problem im Köhlbrand bestätigt Christiane Kurth, Sprecherin der Hafenbehörde Hamburg Port Authority. Aber wenn nicht dort, dann würden die Verschlickungen eben woanders auftreten. Insgesamt aber seien die Sandmengen „definitiv geringer geworden“. Auch die Hafenbehörde aber habe erkannt, dass das Baggergut nicht wie bisher in tiefen Stellen im Fluss versenkt werden kann. „Dann kommt es schnell zurück, da buddeln wir uns tot.“

Deshalb sollen die Sandmassen künftig in der Nordsee vor der Elbmündung zu Inseln aufgeschüttet werden. Nix und Baumgardt glauben nicht an einen Erfolg: Das Beispiel Medemsand zeige, „dass die Sedimente nicht beherrschbar sind“.

Kurth glaubt an ein Gelingen, „wenn das Baggergut erstmal aus dem Kreislauf heraus ist“. Auch der Hafenbehörde sei klar, „dass wir nicht dauerhaft gegen die Natur buddeln können“.