Berlin entdeckt sein Herz für Flüchtlinge

Innensenator Körting erlässt einen vorläufigen Abschiebestopp für Flüchtlinge, die seit vielen Jahren in Deutschland leben. Nach Schätzungen der Innenverwaltung bleiben so 14.000 Menschen verschont. Brandenburgs Innenminister ist verärgert

von FELIX LEE

Was Ausländerpolitik anbelangt ist Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) nicht gerade für seine Güte bekannt. Doch nun hat er mit einer Weisung an die ihm unterstellte Ausländerbehörde für langjährig geduldete Flüchtlinge ein Abschiebestopp angewiesen – bereits vor zwei Wochen, der Berliner Flüchtlingsrat hat dies nun bestätigt.

Abschiebungen sind bisher trotz rot-roter Regierung in der Hauptstadt genauso gang und gäbe gewesen wie in den unionsregierten Bundesländern Bayern und Niedersachsen.

Schätzungsweise 14.000 Flüchtlinge können nach Angaben der Berliner Innenverwaltung aufatmen und müssen nicht befürchten, dass sie in den frühen Morgenstunden von Polizisten aus den Betten gezerrt werden und sich anschließend in Abschiebegewahrsam hinter Gittern wiederzufinden.

Profitieren werden sämtliche abgelehnte AsylbewerberInnen sowie langjährig geduldeten Flüchtlinge, die vor dem 1. Juni 2000 eingereist sind und mindestens ein minderjähriges Kind haben. Bleiben dürfen auch Ausländer, die allein als Minderjährige vor jenem Stichtag in die Bundesrepublik eingereist sind. Ausgenommen sind laut Körting hingegen alle Flüchtlinge, die in Deutschland vorbestraft sind oder „durch Identitätstäuschung ihren Aufenthalt erschlichen haben“. Zudem müssen die Betroffenen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Die Weisung ist befristet und gilt zunächst bis Ende des Jahres.

Körtings Vorstoß kommt nicht überraschend. Zweimal im Jahr tagt die Innenministerkonferenz und der Berliner Innensenator hatte sich bereits bei den vergangenen beiden Malen für eine bundesweite Bleiberechtsregelung eingesetzt. Doch einige Innenminister haben Körtings Vorhaben bisher blockiert und dafür gesorgt, dass das Thema vertagt wird.

Besonders Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU), der momentan auch den Vorsitz der Innenministerkonferenz übernommen hat, versucht eine bundesweit einheitliche Lösung hinaus zu zögern. Doch nicht nur Körting geht fest davon aus, dass es bei der nächsten Innenministerkonferenz am 16. und 17. November in Nürnberg ein einheitliches Bleiberecht für langjährig in Deutschland lebende Flüchtlinge geben wird.

Vergangenes Wochenende hat sich nach der baden-württembergischen Landesregierung selbst Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) für eine „Altfallregelung“ ausgesprochen: „Jeder sieht doch, dass man Kinder, die hier geboren, zur Schule gegangen und oft einen guten Abschluss gemacht haben, nicht irgendwohin abschieben kann.“

Vor allem ein Innenminister sträubt sich jedoch, dies anzuerkennen: Jörg Schönbohm (CDU) aus Brandenburg. Er wirft Körting vor, die Verhandlungen zu gefährden. Abschiebestopps im Alleingang erschwerten nur eine gemeinsame Lösung, behauptet der unbelehrbare Hardliner. Es wird einsam um Schönbohm.