„Keine unzumutbaren Nachteile“

Seit Jahren schon wartet Erika Wiechmann darauf, ihren Mann, einen Nigerianer, nach Bremen holen zu können. Die Behörden erkennen die Heirat nicht an. Und die Gerichte finden: Wer einen Afrikaner ehelicht, ist selbst schuld

Für Erika Wiechmann ist die Sache klar. Anthony Broadrick, ein 54-jähriger Schweißer aus Westnigeria, ist ihr Mann. Seit über zwei Jahren. Und deshalb will sie ihn bei sich haben. Hier, in Bremen. Um das durchzusetzen, liefert sich die 65-jährige Ex-Krankenschwester seit Jahren eine erbitterte Auseinandersetzung mit den deutschen Behörden. Die aber weigern sich, ihm ein Visum auszustellen – weil Broadrick seine religiös motivierte Namensänderung nicht ordnungsgemäß dokumentieren ließ. So gilt die Hochzeit als ungültig.

„In einem Park in der Bremer Neustadt haben wir uns kennen gelernt“, erzählt Wiechmann. „Ganz zufällig“. Das war im September 2003. Ihr Mann lebte zu dieser Zeit in Ströhen im Landkreis Diepholz, in einem Asylbewerberheim. Arbeiten durfte er nicht. Und so kam Anthony Broadrick oft nach Bremen, saß gerne in demselben Park, in dem Erika Wiechmann häufig spazieren ging. Noch im Winter entschieden sie zu heiraten.

Die für Broadrick zuständige Ausländerbehörde Diepholz machte ihnen jedoch einen Strich durch die Rechnung. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, seither wurde er „geduldet“. Als er im Januar seine Duldung verlängern lassen wollte, rief der Sachbearbeiter die Polizei. Broadrick wanderte ins Abschiebegefängnis Langenhagen, wurde erst nach vier Wochen wieder entlassen. Wäre er abgeschoben worden, hätte es für eine Wiedereinreise kaum Chancen gegeben.

Kurz nach seiner Haftentlassung sind die beiden nach Lagos geflogen. Bis ein Standesamtstermin in Deutschland verfügbar gewesen wäre, wäre Broadrick längst abgeschoben worden. So heirateten die beiden am 26. Februar im nigerianischen Ojo. Zwei Wochen blieb sie noch in Lagos, dann musste Wiechmann zurück nach Bremen. Das Warten begann. Sie wartet bis heute.

Broadrick wurde mit dem Namen Anthony Awam geboren. Laut Broadrick verweist dieser Name in der Ethymologie seines Stammes, der Ibo, auf eine animistische Orientierung. Nachdem er als Erwachsener neu zum christlichen Glauben gefunden habe, so berichtet es Wiechmann, habe er daher den „christlich respektablen“ Vornamen seines Vaters, Broadrick, als Nachnamen angenommen. Auch seine Brüder heißen ausnahmslos Broadrick. Dass dies eine in Westafrika gängige Praxis sei, hätten ihr sowohl das Standesamt in Ojo als auch die in Bremen ansässige Norddeutsche Mission bescheinigt, erzählt Wiechmann. Die nigerianische Verwaltung sei derart defizitär, dass niemand solche Namensänderungen dokumentieren lasse, sagt sie. Der nigerianische Vertrauensanwalt des Paares sagt, dies sei ein Versäumnis, das die Ehe laut nigerianischem Recht ungültig mache. Weshalb das Standesamt, das über die Namensänderung vor der Eheschließung unterrichtet wurde, daran nichts auszusetzen hatte, begründet er nicht. Wiechmann vermutet „hohe Schmiergeldzahlungen“ als eigentlichen Grund für das fehlende Visum für Broadrick. „Der Vertrauensanwalt hat das verhindert“, sagt sie. Die deutsche Botschaft in Lagos interessiert das wenig. Sie lehnte das Visumsersuchen im Dezember 2004 ab. Eine Erklärung hat Wiechmann dafür bis heute nicht erhalten.

Wenige Wochen nach Erhalt des Ablehnungsbescheides klagte Wiechmann, vertreten durch den Bremer Anwalt Jörg Wegner, auf Ausstellung eines Einreisevisums für ihren Mann. Damals sagte Wegner, die Sache könne „sechs Monate bis ein Jahr dauern“. Wiechmann vertrieb sich die Zeit mit einem Besuch bei ihrem Mann in Nigeria im vergangenen Sommer.

Im Februar diesen Jahres starben innerhalb von einer Woche Wiechmanns Bruder und Schwester. Wiechmann und Wegner entschlossen sich, beim Gericht eine Eilentscheidung zu beantragen. Ende Juni 2006 schließlich bemühte sich das Gericht zu einer Stellungnahme. Da sie „nach dem Tod ihrer Geschwister offenbar keine familiären Verpflichtungen mehr“ habe, so die Richter, könne sie den Ausgang des Verfahrens ja auch in Nigeria abwarten. Pragmatismus ganz eigener Art auch in der weiteren Begründung: „Wer sich für eine Eheschließung mit einem Nigerianer entscheidet“, dozieren sie, „wisse, dass langwierige juristische Prüfungen nötig sein können“. Im Klartext: Den nervlich aufreibenden und finanziell ruinösen Behördenmarathon, den Erika Wiechmann seither durchmacht, hat sie sich nach Ansicht der Richter selbst zuzuschreiben. Insgesamt, so urteilten die Richter, entstünden Wiechmann und ihrem Mann „keine schweren und unzumutbaren Nachteile“ wenn sie noch weitere Jahre auf eine endgültige Entscheidung warten müssten.

„Kein singulärer Fall“, sagt Jörg Wegner, zugleich Vorsitzender des Bremer Verbandes Binationaler Ehen und Partnerschaften. Die deutschen Vertretungen in Westafrika lehnten Visaerteilungen für Ehepartner „erschreckend häufig“ ab, sagt er. Erika Wiechmann will nicht aufgeben. Im September fliegt sie nach Nigeria, zu ihrem Mann. „Mal sehen, wie lange ich diesmal bleibe“ sagt sie. cja