SYRIEN MUSS IN EINE LÖSUNG IM LIBANON EINGEBUNDEN WERDEN
: Damaskus braucht positive Anreize

Jahrelang bediente Syrien sich der Hisbollah-Miliz im Libanon, um die israelische Nordgrenze ohne eigenes militärisches Risiko unsicher zu machen und so den Preis, den Israel für die Besetzung der syrischen Golanhöhen zu entrichten hat, in die Höhe zu treiben. Für dieses zynische Kalkül muss nun vor allem die libanesische Zivilbevölkerung bezahlen. Um das Leid dieser Menschen schnell zu beenden, muss mit Damaskus verhandelt werden.

Natürlich fragt sich: Kann man ein offenkundig menschenverachtendes Regime in eine Konfliktregelung einbinden? Die Antwort lautet: Man sollte es wenigstens versuchen. Denn das Kalkül Syriens basiert auf einer rationalen Interessenabwägung, nicht auf einer Allianz zwischen Brüdern im Geiste. Wenn man will, dass das Regime in Damaskus den innerlibanesischen Dialog über die Zukunft der Hisbollah nicht unterminiert, sondern konstruktiv begleitet, sollte man folglich auf die Interessenlage Syriens einwirken.

Eine Wiederaufnahme der Verhandlungen über die Golanhöhen böte Syrien die Aussicht, ohne die Instrumentalisierung fremder Waffengewalt das im Sechstagekrieg verlorene Gebiet zurückzuerhalten. Über die Sicherheitsfragen dürfte sich Einigung erzielen lassen. Syrien hatte sich bereits mit der Beschränkung seiner Truppenstärke auf dem Höhenzug, mit Frühwarneinrichtungen sowie amerikanischen, französischen und sogar israelischen Militärbeobachtern einverstanden erklärt. In der schwierigeren Frage der Grenzen und der Kontrolle der Wasserressourcen sind kreative Lösungen vorstellbar, die es Syrien erlauben, die Rückgewinnung des ganzen Golans bekannt zu geben, während Israel dennoch den Zugang auch zum östlichen Ufer des Sees Genezareth erhält.

Die Europäische Union kann hier Anreize bieten, indem sie das Assoziierungsabkommen mit Syrien in Kraft setzt. Das Abkommen bietet Syrien nicht nur wirtschaftliche Vorteile. Es sieht einen regelmäßigen politischen Dialog vor, in dem Fragen der regionalen Sicherheit ebenso wie solche der Menschenrechte auf den Tisch gelegt werden können, und könnte das Regime unter einen wünschenswerten Reformdruck setzen.

Das Wirksamwerden positiver Anreize setzt allerdings voraus, dass ein Regimewechsel mit gewaltsamen Mitteln von außen nicht auf der Agenda steht. Eine Beilegung des syrisch-israelischen Territorialkonflikts sowie Liberalisierungsschritte in Wirtschaft und Politik böten aber die Chance für einen friedlichen Regimewandel von innen, der auch im Interesse seines fragilen Nachbarn im Westen liegt: Libanon. MARGRET JOHANNSEN

Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Institut für Friedens-forschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg (IFSH)