Blair sieht Kampf um Seele des Nahen Ostens

Der britische Premierminister fordert eine neue Außenpolitik. In seinem Kabinett ist er vollkommen isoliert

DUBLIN taz ■ Die britische und US-amerikanische Außenpolitik müsse völlig neu bestimmt werden, sonst gehe der Kampf um die Herzen im Nahen Osten verloren. Das sagte der britische Premierminister Tony Blair am Dienstag vor dem World Affairs Council in Los Angeles. „Die einzige Möglichkeit, den Bogen des Extremismus zu besiegen, der sich über den Nahen Osten spannt, ist ein Bündnis der Mäßigung, das in eine andere Zukunft weist, in der Menschen aller Glaubensrichtungen zusammenleben können“, erklärte Blair den rund 2.000 Zuhörern.

„Wir können den Kampf gegen den globalen Extremismus nicht gewinnen, wenn wir ihn nur durch militärische Gewalt und nicht auch auf der Ebene der Werte gewinnen“, sagte er. „Wir müssen beweisen, dass wir fair und gerecht bei der Anwendung unserer Werte in der Welt sind.“ Die Schlachten im Irak und im Libanon seien „Teil eines breiten Kampfes für die Seele des Nahen Ostens“, fügte er hinzu: „Wir hätten die Sicherheit als Schlachtfeld wählen können, haben das aber nicht getan. Wir haben uns für Werte entschieden. Uns wurde klar, dass man eine fanatische Ideologie nicht besiegen kann, indem man die Führer umbringt oder einsperrt. Man muss die Ideologie besiegen.“

An Syrien und den Iran richtete Blair eine Warnung: „Wir müssen Syrien und dem Iran klarmachen, dass sie die Wahl haben: Sie können sich in die internationale Gemeinschaft einreihen und nach denselben Regeln spielen wie der Rest. Oder sie werden konfrontiert. Wenn sie weiter den Konflikt schüren, werden sie merken, dass sie sich verrechnet haben.“ Blair ist im Kabinett mit seiner Nahostpolitik isoliert. Seine Kritiker sind verärgert, weil er es abermals versäumt hat, sich für einen sofortigen Waffenstillstand einzusetzen.

Jack Straw war am Wochenende der Erste, der die Bombardierung des Libanon in einer Rede vor Muslimen in seinem Wahlkreis Blackburn als „unverhältnismäßig“ kritisierte. Irwin Stelzer, ein Mitarbeiter des Medienzaren Rupert Murdoch mit engen Kontakten zur US-Regierung, sagte, US-Präsident George Bush sei dem ehemaligen Außenminister Straw gegenüber wegen des hohen Anteils an Muslimen in dessen Wahlkreis stets misstrauisch gewesen. Womöglich degradierte Blair ihn bei der Kabinettsumbildung im Mai zum Fraktionschef, um Bush einen Gefallen zu tun.

Straws Nachfolgerin Margaret Beckett forderte ebenfalls eine sofortige Waffenruhe. Wenigstens müsse Blair die Zwischenlandungen der US-Waffentransporte nach Israel auf britischen Zivilflughäfen unterbinden. Nachdem die irische Regierung den USA die Landung im westirischen Shannon verboten hatte, tankten die Bombentransporter zunächst in Prestwick bei Glasgow auf, bis Schottlandminister Douglas Alexander das untersagte. Verteidigungsminister Des Browne hat den USA nun den Flughafen Brize Norton in Oxfordshire zur Verfügung gestellt.

Blair wird seine Haltung zum Nahen Osten heute bei seiner monatlichen Pressekonferenz verteidigen müssen. Am Freitag will er in den Urlaub gehen, obwohl einige Abgeordnete meinen, er müsse daheim bleiben, bis die Krise vorbei sei. Andere finden dagegen, dass seine Abwesenheit ein Vorteil sein könnte. Frank Dobson, der frühere Gesundheitsminister in Blairs Kabinett, sagte: „Ob zu Hause oder im Ausland, er zieht Großbritannien immer tiefer in den Schlamassel.“ RALF SOTSCHECK