fluch der keramik von ILKE S. PRICK
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„Das geht echt zu weit“, maule ich genervt. Meine Freundin wedelt mit der Augenklappe und tut gelassen. „Du musst sie ja nicht aufsetzen. Ich dachte nur, so würde es mehr Spaß machen.“ Ihr Armband klimpert. Ich kann erkennen, dass Muscheln dranhängen. Und Totenköpfe. „Das ist kein Spaß!“, sage ich scharf und überlege, wie ich alles weitere vermeiden kann. „Es ist doch nur, weil du meintest, du magst Piraten“, dreht sie an den moralischen Daumenschrauben. Klar mag ich Piraten. Auch das mit dem Rüschenhemd ist sehr nett. Nur – was zu weit geht, geht zu weit.

Erst letztens hat mich meine Freundin in eine Ausstellung geschleppt: Ägyptens versunkene Städte. „Große Kultur“, „fast wie Kurzurlaub“ und „voll klimatisiert“, hatte sie gesagt. Das hat mich überzeugt, bei 30 Grad im Schatten. Konnte ich denn wissen, dass die Ausstellung im Unterwasser-Ambiente stattfand? Und dass der museumspädagogische Dienst oder sonst ein Wellenliebhaber im Hintergrund die ganze Zeit Meeresrauschen vom Band einspielte? Kein Wunder also, dass ich nach einer Viertelstunde verzweifelt die Toilette suchte. Ich habe nun mal eine schwache Blase.

„Wir sind doch gut ausgerüstet.“ Stolz zeigt mir meine Freundin das Repertoire für den Abend: Gummibärchen, Schokolade, Chips, Hähnchenschenkel und ein Sixpack. „Das sieht nach Überlänge aus“, schlussfolgere ich nervös. „143 Minuten“, sagt sie zögernd. „Das sind fast zweieinhalb Stunden!“, schreie ich entsetzt. „Ja, vielleicht“, säuselt sie, „aber –.“ Weiter kommt sie nicht. „Das heißt: drei mit Werbung“, fahre ich dazwischen. „Die ganze Zeit Wasser. Die ganze Zeit Rauschen.“ Ich schnappe nach Luft. „Nee, ohne mich!“

Meine Freundin sieht das anders. „Stell dich nicht so an“, sagt sie, und „großes Kino“, sagt sie und „richtig was für die Hormone.“ – „Hormone?“ Ich muss wohl noch entsetzter aussehen, denn sie schiebt gleich noch ein „oder fürs Herz“ hinterher. Fürs Herz, nun gut, doch warum drückt sie ihre Hand nicht auf die Brust, wo sie dann hingehört, sondern gut 20 Zentimeter weiter südlich? „Und Johnny Depp“, haucht sie und verdreht die Augen. Aha! Mit Blick auf die Hand denke ich wieder an diese empfindliche Stelle in meinem Unterbauch.

Beim Schwimmunterricht war es ja noch in Ordnung. Da konnte man bei Bedarf nach Herzenslust ins Wasser pullern. Die Kurse in autogenem Training jedoch stellten später eine echte Herausforderung dar. „Sie sind ganz entspannt. Ihr Atem fließt wie Meeresbrandung.“ O ja, ich konnte es spüren. Sofort. All das Fließen. „Die Wellen kommen, die Wellen gehen.“ Der Kurs schnarchte, nur ich suchte die Toiletten. Aus demselben Grund weiß ich auch immer noch nicht, welche ägyptischen Dynastien versunken sind. Dafür kann ich jeden Klospruch im Museum auswendig.

„Nichts zu machen. Ich hab die Karten schon abgeholt“, sagt meine Freundin triumphierend und hält sie mir vor die Nase. „Mitte, am Rand.“ Sie grinst breit. „Gleich neben den Toiletten.“ Sie denkt einfach an alles. Wir machen uns auf den Weg ins Kino. Captain Jack Sparrow – ich komme! Und leise singe ich: Fünfzehn Mann auf des Totenmanns Kiste, oho, und ich auf’m Klo.