Festgenommen und sofort hingerichtet

Video über Kriegsverbrechen von Kroaten und Bosniaken an Serben 1995 löst in Serbien heftige Reaktionen aus

BELGRAD taz ■ Ein serbischer Zivilist kniet, die Arme über dem Kopf. Ein bewaffneter, uniformierter Mann tritt ihn mit dem Fuß in den Bauch. „So macht man das“, sagt der Soldat und schießt ihn nieder. Andere Mitglieder einer bosniakischen Milizeneinheit schauen zu. Diese Videoaufnahme sendete der Belgrader TV-Sender „B 92“ vor wenigen Tagen. Das Filmmaterial vom August 1995 zeigt, wie in Kroatien während der Militäraktion „Oluja“ (Sturm) zur Rückeroberung der Krajina kroatische und bosniakische Soldaten serbische Flüchtlinge quälen und verlassene serbische Dörfer in Brand setzen. Laut Augenzeugenberichten und wie auf dem Video zu sehen hätten die kroatische paramilitärische Einheit „Schwarze Mambas“ und die Einheit der bosnischen Armee „Hamze“ Dutzende Männer aus serbischen Flüchtlingskolonnen festgenommen und an Ort und Stelle hingerichtet.

Während in Kroatien der 5. August als „Siegestag“ gefeiert und „Oluja“ als der Höhepunkt des Freiheitskampfes gegen die „serbische Okkupation“ glorifiziert wurde, gedachte man in Serbien der „ethnischen Säuberung“. Über 200.000 Serben wurden vor elf Jahren in nur wenigen Tagen aus Kroatien vertrieben. Flüchtlingskolonnen aus der Krajina wurden beschossen, über eintausend Serben gelten noch als vermisst. Hinter der geplanten Vertreibung der serbischen Bevölkerung hätten der verstorbene Präsident, Franjo Tudjman, und die kroatische Staatsspitze gestanden, beruft sich „B 92“ auf die Anklageschrift des UN-Tribunals für Kriegsverbrechen in Den Haag. Gegen vier kroatische Generäle ist wegen Kriegsverbrechen Anklage erhoben worden.

Das Filmmaterial könne das Tribunal nicht verwenden, erklärte Pressesprecher Anton Nukiforov, weil alle Untersuchungsverfahren schon abgeschlossen seien und keine neuen Anklagen erhoben werden können. Sollten sich die neuen Beweise aber als authentisch herausstellen, würde man die einheimische Justiz unterstützen, gegen die Verantwortlichen zu prozessieren.

Der damalige bosniakische Kriegskommandant, Atif Dudaković, müsse für die an Serben begangenen Verbrechen vor dem Gericht verantwortlich gemacht werden, verkündete die serbische Regierung. Belgrad forderte die bosnische Staatsanwaltschaft auf, aufgrund des jüngsten Beweismaterials sofort zu reagieren.

Der pensionierte General Dudaković wies alle Beschuldigungen als in Serbien „fabrizierte Lügen“ zurück. Es stimme, dass er die Aktionen in der Krajina damals befehligt habe, sagte er, bestritt aber, dass dabei Verbrechen begangen worden seien. Belgrad wolle nur den Prozess vor dem internationalen Gerichtshof beeinflussen, in dem Sarajevo Kriegsentschädigung von Serbien fordert. Das kroatische Innenministerium bestätigte, von der Staatsanwaltschaft die Anweisung erhalten zu haben, die angeblichen Verbrechen während „Oluja“ zu untersuchen. Kroatische Behörden und manche Medien streiten jedoch die Verantwortung Kroatiens für Verbrechen in der Krajina ab und machen muslimische Milizeneinheiten dafür verantwortlich.

ANDREJ IVANJI