Linkshänder aller Länder!

Am Sonntag erinnert der „Internationale Linkshändertag“ weltweit an das Schicksal einer merkwürdigen Minderheit

von SOPHIE HAARHAUS

Als die anderen Kinder in der zweiten Klasse die selbstgemalten bunten Papptiere ausschneiden durften, musste Katrin erstmal üben, einfache Kreise auszuschneiden. Als sie erwachsen war, hat sie die Weinflasche nicht aufbekommen, von der Raviolidose ganz zu schweigen. Denn Katrin ist Linkshänderin. Auch wenn sie in der Schule mit links schreiben durfte – Schwierigkeiten und wenig Unterstützung im Umgang mit Gebrauchsgegenständen hatte sie trotzdem.

Schwierigkeiten, die ihr irgendwann gar nicht mehr aufgefallen sind. Und die sie jetzt trotzdem behoben hat, wie sie freudig in einem Linkshänderforum mitteilt. Denn Linkshänderläden führen mittlerweile fast alles. Nicht nur Füller und Scheren für Linkshänder kann man dort kaufen, sondern auch Schöpfkellen, Korkenzieher und Dosenöffner. Man kann golfen und bowlen mit der Linken, Geige, Flöte, Gitarre und sogar E-Bass spielen.

Beim Zähneputzen, Kartoffelschälen und Fliegenklatschen: Linkshänder erkennen sich schnell – und solidarisieren sich. Die besondere Händigkeit verbindet nicht nur zufällige Bekannte untereinander, sondern diese auch mit Persönlichkeiten wie Leonardo da Vinci, Albert Einstein oder Julia Roberts.

Am Sonntag nun ist „Internationaler Linkshändertag“, an dem Linkshänder weltweit auf sich aufmerksam machen wollen – sind sie doch noch immer nicht integriert, wie Johanna Barbara Sattler klagt, die Vorsitzende der ersten deutschen Linkshänderberatungsstelle.

Ihren Schätzungen nach sind 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung Linkshänder, viele davon unerkannt. Die Münchener Psychotherapeutin fordert, dass Linkshändigkeit in die Bildungs- und Erziehungspläne aufgenommen wird, damit Erzieher sich schon früh mit den Problemen der Linkshänder befassen können. „Es würde ja reichen, wenn in einem Satz auf die Integration der Linkshänder hingewiesen würde, aber das ist bis jetzt nicht passiert“, klagt sie.

Auch will sie die Erkennung der Händigkeit des Kindes in Beratungsbroschüren sehen, die jede Mutter in Deutschland zur Geburt ihres Kindes bekommt. Denn Linkshänder haben in der Schule oft Schwierigkeiten mit der Schrift und der Haltung.

Das kann nicht nur eine verwischte und so unleserliche Schrift, sondern auch starke Verspannungen zur Folge haben. „Linkshänder müssen von anfang an richtig gefördert werden“, fordert Sattler. Folgenschwer kann aber vor allem die Umschulung eines Linkshänders sein. „Die Umschulung der angeborenen Händigkeit ist ein massiver Eingriff in das menschliche Gehirn“, erklärt Sattler. Wer gezwungen wird oder sich aus Anpassungsdruck selber zwingt, die rechte Hand zu benutzen, kann Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnis- und Sprachstörungen bekommen: „Weil aber die natürliche Intelligenz erhalten bleibt, führt das dann zu psychischen Irritationen des Kindes, und es zieht sich immer mehr zurück.“

So können umgeschulte Linkshänder in eine Außenseiterrolle geraten und fühlen sich in der Schule nicht mehr wohl. Um diese Probleme zu vermeiden oder sie zumindest im Nachhinein zu behandeln, bildet Sattler Linkshänder-BeraterInnen aus. Diese können nicht nur anhand aufwändiger Tests die Händigkeit von Kindern feststellen, sondern bieten auch Schreibvorbereitungskurse für Linkshänder bereits im Vorschulalter an.

Seit in den Achtzigern bekannt wurde, dass das Training zur rechten Hand negative Folgen haben kann, wird an den meisten Schulen nicht mehr umgeschult – besonders auf die Bedürfnisse der Linkshänder eingegangen wird aber trotzdem nicht. Immer wieder gibt es auch Menschen, die sich rückschulen lassen wollen. Ob aber eine Rückschulung, die nicht nur zeit-, sondern auch geldaufwändig ist, wirklich sinnvoll sein kann, hat die Wissenschaft noch nicht bewiesen. „Wenn ein umgeschulter Linkshänder keine Probleme hat, wieso sollte er sich dann rückschulen lassen?“, fragt Sattler. Denn wie die Umschulung von der linken in die rechte Hand, so sei auch die Rückschulung ein Eingriff in das Gehirn.

Zur Linkshändigkeit gibt es mittlerweile unzählige Studien. So hat man herausgefunden, dass die Händigkeit abhängt von der motorischen Dominanz der jeweiligen Gehirnhälfte, bei Linkshändern die rechte, bei Rechtshändern die linke – woraus sich Rückschlüsse auf Persönlichkeitszüge und typische Handlungsweisen ziehen lassen. Besonders Linkshändern spekulieren gerne, ob sie nicht kreativer oder intelligenter seien. Bestätigt ist das aber nicht, und so lange gilt: Die linkshändige Minderheit will besser integriert werden, aber trotzdem irgendwie besonders sein.

Mehr Informationen: www.lefthander-consulting.org