Geduldet, aber nicht anerkannt

Sabine Hark untersucht umfassend, ob der Feminismus die Universitäten verändert hat. Ihre Bilanz fällt zwiespältig aus

Dass der „Marsch durch die Institutionen“, den die Generation der 68erInnen anstrebte, auch an den Individuen nicht spurlos vorbeiging, war an den PolitikerInnen in Zeiten von Rot-Grün gut zu beobachten. Die Universitäten werden in dieser Hinsicht weniger kritisch betrachtet: Je mehr Frauen mit Doktortitel, so nimmt man automatisch an, desto besser; jede Professorin ein Schritt in Richtung einer frauenfreundlicheren Gesellschaft.

Die Kosten aber, die der Eintritt in die heiligen Hallen des Wissens für den Feminismus bedeuten, untersucht die Berliner Politikwissenschaftlerin Sabine Hark in ihrem Buch „Dissidente Partizipation“. Von Selbsterfahrungsgruppen initiiert, hatte feministische Theorie ursprünglich den Anspruch, gesellschaftliches Wissen und damit Gesellschaft selbst zu transformieren. Heute, 30 Jahre nach der ersten selbstorganisierten Berliner Sommeruniversität, scheint die Frauenforschung an jeder deutschen Hochschule fest etabliert. Und wer hat nun wen verändert?

Zunächst einmal rückt Hark einige Zahlen zurecht. Während über die Hälfte der Studierenden weiblich ist, gilt dies für nur gut ein Zehntel der Professorenschaft. Und nur 0,3 Prozent aller Lehrstühle wiederum sind der Frauen- und Geschlechterforschung gewidmet. Natürlich kann man es als Erfolg ansehen. Andererseits: Den Rest der Unis wirft das nicht unbedingt aus dem gewohnten Trott. Oft, hat Hark herausgefunden, „bestellen männliche Wissenschaftler das Allgemeine der jeweiligen Disziplin, während Frauen- und GeschlechterforscherInnen den ‚Sonderfall‘ Geschlecht bearbeiten“. Das würde keine Anerkennung bedeuten, sondern Duldung.

Wer die Regeln des Spiels verändern will, muss immer auch mitspielen. Innerhalb der klassischen Bereiche sollte sich die Wissenschaftlerin so weit behaupten, dass man ihr zutraut, gelegentlich auch abseits ausgetretener Wege zu forschen. Und wer an der Universität Anerkennung finden will, muss den akademischen Habitus lernen: die Sprache des Fachs, die für Außenstehende unverständlich ist; das Auftreten, das andere durchaus einschüchtern kann. Das sind die unangenehmen Nebenwirkungen dieses Marschs durch die Institutionen. Denn ursprünglich sollte Feminismus nicht ausschließen, sollten seine Begriffe allen verständlich sein; sollte keiner und keine das Gefühl bekommen, wie Klein Ida danebenzustehen.

Sabine Hark versucht gar nicht erst, ein komplexes Wechselspiel vereinfachend zu beurteilen; ihre Bilanz des akademischen Feminismus fällt zwiespältig aus. Immer wieder hebt sie an, um die Art und Weise, wie sich eine Theorie gegen eine andere durchzusetzen versucht, aus verschiedenen Blickwinkeln zu begreifen. Das bessere Argument zu haben ist dabei innerhalb der Wissenschaften eine notwendige Bedingung. Allein ausreichend ist es für die Überzeugungsarbeit nicht, deren Erfolg von vielen strategischen und sozialen Faktoren mit beeinflusst wird.

Bei ihrer Rekonstruktion greift Hark auf erstaunlich breites Material aus feministischen Debatten diesseits und jenseits des Atlantiks zurück. Ein wenig auf die Nerven geht einem nur eines – die langen Passagen mit nicht enden wollenden Reihen offengelassener Fragen. Sie ergeben sich nicht allein aus einem strengen poststrukturalistischen Credo, dass eine beharrlich verfolgte Frage oft weiter hilft als eine zu früh gegebene Antwort. Sondern eben aus der Janusköpfigkeit des akademischen Feminismus per se, der sich im selben Moment, indem er sich etabliert, von den umwälzenden Ansprüchen entfernt, mit denen er aufgebrochen ist. Und der mit jeder Habilitationsschrift, die anerkannt wird, dem Fundus allgemein schwerverständlicher Werke eins zugefügt hat – ein Schicksal, von dem Harks eigenes Buch nicht ausgenommen ist.

Der feministische Marsch durch die Institutionen bringt außerdem ein gewisses Vergessen mit sich. Was noch vor wenigen Jahren gedacht wurde, wird oft als veraltet betrachtet, man will sich davon distanzieren. Insbesondere der Wechsel von der Frauen- zur Genderforschung wurde genutzt, einer früheren Generation gedankliche Fehlschlüsse nachzuweisen. So wird seit den Neunzigern Gender, das soziale Geschlecht, als Untersuchungsgegenstand in den Mittelpunkt gestellt. Alles Geschlechtliche sei sozial konstruiert. Dabei dürfe man nicht nur über Frauen, man müsse auch über Männer reden. Und die jungen Theoretikerinnen behaupteten, diese Beobachtung sei ihre Erfindung, ihre Vorgängerinnen hätten all das noch nicht gesehen.

Was nicht stimmt, Hark kann es beweisen. Das Ganze hat eher einen strategischen Hintergrund: Das Naserümpfen der Genderforscherinnen rührte auch daher, dass mit diesem Begriff ein etwas harmloseres Forschungsobjekt gefunden werden konnte. Genderforschung klingt allemal weniger offensiv als Feminismus – und moderner.

Hier verhält es sich wohl nicht anders als mit dem Feminismus in der restlichen, außeruniversitären Gesellschaft: „Feministin bin ich aber nicht!“, ruft manche junge Frau, wenn man sie nach ihrer Weltanschauung befragt. Allerdings findet sie, dass Frauen und Männer sich die Hausarbeit und die Kindererziehung teilen sollten, sie ist Programmiererin und sitzt im Auto häufiger am Steuer als ihr Mann. Auch das lässt sich als Erfolgsgeschichte lesen; und eine Träne fließt mancher gestandenen Frauenrechtlerin dabei doch. HILAL SEZGIN

Sabine Hark: „Dissidente Partizipation. Eine Diskursgeschichte des akademischen Feminismus“. suhrkamp taschenbuch wissenschaft, Frankfurt 2005, 457 Seiten, 16 Euro