Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die derzeitige Popularität von Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist vor allem journalistengestützt. Aber: Immerhin entsteht bei der Gelegenheit als Langzeitwirkung der Eindruck, die SPD sei doch nicht komplett entvölkert

Eine deutsche Haltung, die Israels Kriegsführung offiziell und laut kritisiert, halte ich für kein Problem in zwei-, dreihundert Jahren

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Dringendes Adoptionsbedürfnis deutscher Politiker für britische Terrorängste.

Was wird besser in dieser?

Mit Bundeswehrsoldaten im Libanon können wir uns ab sofort eigene Ängste machen.

Der Krieg im Libanon geht im TV weiter. Die Berichte sind proisraelisch, sagen die Kritiker Israels. Die Berichte sind antiisraelisch, sagen die anderen. Wer hat Recht?

Angriffe auf UN-geschützte Flüchtlingskonvois, Nichtgenehmigung von Rot-Kreuz-Transporten, Angriff auf UN-Stützpunkt, zivile Opferzahlen – diese Fakten sind auch von israelischer Seite unbestritten. Das Handwerk fordert, Meldungen mit mehreren, von einander unabhängigen Quellen belegen zu können. Dabei gelten Fakten, die die gegeneinander Krieg führenden Parteien bestätigen, als sicher. Mehr ist dazu aus journalistischer Sicht nicht zu sagen.

Steinmeier war dort und hat versucht zu vermitteln. Hat er das gut gemacht?

Wüsste man, wie er es gemacht hat, wüsste man, dass er es schlecht gemacht hat.

Steinmeier ist derzeit populär – wie jeder Außenminister. Sogar den stocksteifen Klaus Kinkel macht das Amt beliebt. Ist Steinmeiers Popularität nur amtgestützt – oder ist es mehr?

Sie ist vor allem journalistengestützt. Erhöhte Medienpräsenz mit klinisch inhaltsfreien O-Tönen, wie sie Außenministern in auswärtigen Krisen nun mal zukommt, funktioniert halt so. Die trotzdem unerwartete Pole Position Steinmeiers in den Politikercharts birgt dann die Gefahr, dass allerlei Spekulatius draufgebacken wird. Steinmeier kann zum Trost nachlesen, was letztes Jahr alles über Christian Wulff geschrieben wurde. Immerhin entsteht als Langzeitwirkung der Eindruck, die SPD sei doch nicht komplett entvölkert. Allerdings auch die Lust der politischen Widersacher, die neue Symbolfigur zu beschädigen.

Was kann die deutsche Regierung in Nahost tun? Kann sie überhaupt was tun – oder liegt der Schlüssel nur in den USA?

Olmerts Ruf nach deutschen Soldaten ist wesentlich heikler als Ähnliches vom notorischen Bush, der zu jeder selbst gebackenen Schlägerei die Kumpels einlädt. Ebendeshalb darf man davon ausgehen, dass Washington Israel nicht wirklich böse ist, die Germans derart unwiderstehlich to the front zu rufen. Das Argument, Deutschland tauge als wichtiger Wirtschaftspartner vieler Gegner Israels eher zum Vermittler, ist öffentlich kaum aussprechbar. Und erst recht keine Mutmaßungen über Deutschland in der Geschmacksrichtung Ahmadinedschad.

Müsste die Bundesregierung Israels Kriegsführung nicht offiziell kritisieren – anstatt sich in der EU gegen eine Verurteilung Israels zu sperren?

Eine solche israelkritische deutsche Haltung laut auszupoltern, halte ich für kein Problem in zwei-, dreihundert Jahren.

Die Merkel-CDU hat sich offenbar dauerhaft in einem Umfragetief um die 30 Prozent häuslich eingerichtet. Ist das das normale Tief, in dem jede Bundesregierung nach einem Jahr steckt – oder ein Zeichen für eine echte Krise der Union?

So beschissene Werte hätten sie auch mit richtigen Reformen bekommen können.

Heute vor fünfzig Jahren starb Bert Brecht. Ist Brechts Werk nur ein Klassiker, Teil des Bildungskanons – oder mehr?

Ein Schlusspunkt. Dramatische Kunstwerke von ähnlicher gesellschaftlicher Bedeutung und Reichweite gibt es heute allenfalls im Kino oder in großen global eingesetzten TV-Serien. Die Sicherheitsverwahrung brechtscher Inhalte auf hochsubventionierten Elitebühnen ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was Brecht wollte. Und mehr gibt’s nicht, weil die Massen dem überkommenen Medium längst entsagen. Ich empfinde Brecht als brillantes Abschiedsfeuerwerk.

Muss Günter Grass wegen Zugehörigkeit zur Waffen-SS entkanonisiert werden?

Die Luft ist voller Meinung dazu, deshalb muss man da nicht weiter beitragen und kann getrost entschleunigen: Welche Geschichte hat der alte Mann zu erzählen?

Und was macht Borussia Dortmund?

Richtig, ich schulde dem Leserkreis noch das offizielle Jupp-Schmiedeskamp-Orakel zur neuen Spielzeit. Und siehe, es heißt aber: „Die Bayern sollen aufpassen.“ Was sie ja dummerweise auch getan haben. FRAGEN: SR