Kalte Krieger rüsten wieder auf

Zum 45. Jahrestag des Mauerbaus fordern Rechtsausleger der DDR-Forschung eine zentrale Gedenkstätte und mehr Gedenken an Mauertote. Das Senatskonzept wird radikal abgelehnt

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Auch wenn die Mauer nicht mehr steht: Der Streit um die Erinnerungshoheit darüber spaltet Berlin mehr denn je. Anlässlich des gestrigen Gedenktags zur Teilung der Stadt vor 45 Jahren haben rechtskonservative DDR-Forscher eine Revision des im Juni vom Senat beschlossenen Gedenkstättenkonzepts verlangt. Jochen Staadt, Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität (FU), forderte eine zentrale Gedenkstätte zur Erinnerung an die Mauertoten in der Hauptstadt. Nach dem Konzept des rot-roten Senats soll das Mauer-Gedenken in der Bernauer Straße zwar konzentriert werden, aber auch weitere große Gedenkorte beinhalten.

Besonders scharf wandte sich Staadt gegen das Senatskonzept aus dem Hause von Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei). Dies sei ungenügend. So müsse es einen „zentralen Ort“ geben, der die Erinnerung an die Geschichte der Mauer umfassend beleuchte.

Außerdem solle der vielen Toten dort noch stärker gedacht werden. „Wir brauchen einen Ort, wo wir der Maueropfer gedenken können“, sagte der als Kalter Krieger bekannte Politologe. Die Mauer sei ein wichtiger Teil der Geschichte Berlins. Dies müsse sich auch durch eine zentrale Gedenkstätte im Herzen der Hauptstadt widerspiegeln. „Die Stadt hat die Verantwortung, an den Mauerbau und die Mauer zu erinnern.“

Hubertus Knabe, Kurator der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen und ebenfalls Gegner des dezentralen Mauerkonzepts, griff unterdessen das Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) scharf an. Deren Forschungsergebnisse über die Zahl der Mauertoten (125) seien nicht korrekt. Mit solchen Zahlen sollten die Resultate der „Arbeitsgemeinschaft 13. August“ und die von Alexandra Hildebrandt, Museumschefin im Haus am Checkpoint Charlie, diskreditiert werden. Diese hätten 262 Mauertote erfasst. Knabe forderte ein Fachkolloquium zum Thema Mauertote.

Knabe warf dem ZZF zudem vor, sich im Streit über die Zahl der Todesopfer des DDR-Grenzregimes in Berlin für „sachfremde Zwecke instrumentalisieren“ zu lassen. So würden „halbfertige Forschungsergebnisse“ präsentiert, um sich in der Auseinandersetzung um die Erinnerungshoheit profilieren zu können. Er warnte davor, dass von den Zahlen des ZZF die Botschaft ausgehe, das DDR-Grenzregime sei „halb so schlimm“ gewesen. Dies verbiete sich aus Respekt vor den Opfern und deren Angehörigen.

Außerdem betonte Knabe, dem Flierls wenig blutrünstiges Mauer-Gedenkkonzept schon lange ein Dorn im Auge ist, dass die Verharmlosung der „Mordmaschinerie“ an der einstigen innerdeutschen Grenze zunehme. Als Folge würden immer mehr junge Menschen, die die Teilung nicht mehr richtig erlebt hätten, ein falsches Bild des DDR-Regimes bekommen.

Gabriele Camphausen, die Leiterin der Mauer-Gedenkstätte Bernauer Straße, verteidigte gestern das Senatskonzept zur Mauergeschichte als informativ und „richtig“. Zugleich wandte sie sich gegen Argumente, die Gedenkorte ständen in „unproduktiver“ Konkurrenz zueinander. Die Vorwürfe gegen die geplante Vermittlung nannte Camphausen einen Streit um „Deutungsmonopole“.